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Babykosmos
Was man am Anfang wirklich braucht
Von Samantha Taylor
Das Angebot für Babyausstattung ist nahezu endlos. Welche Produkte man anfangs wirklich braucht, worauf man gut verzichten kann und wie Eltern nachhaltig einkaufen können.
«Wir werden Eltern!» Das ist für viele eine aufregende und vor allem freudige Botschaft. Doch mit ihr kommen bald auch zahlreiche Fragen. Eine davon: Was brauchen wir für unser Baby?
Die Einkaufsliste für die Erstausstattung kann schnell lang werden: Babybett, Schlafsack, Krabbeldecke, Bodys, Strampler, Wickelkommode, Spieluhr, Windeln, Autositz, Kinderwagen, Schoppen, Babyphone, Wippe, Stillkissen und, und, und. Die Aufzählung liesse sich schier unendlich fortsetzen. Genauso endlos ist auf der anderen Seite das Angebot.
Als Eltern den Überblick zu behalten, welche Produkte man tatsächlich braucht und welche nicht, ist herausfordernd. Nicht zuletzt, weil Einkaufen fürs Baby auch eine emotionale Sache ist. «Werdende Eltern wollen nur das Beste für ihr Kind. Die Werbung und die Industrie vermitteln den Eindruck, dass man dafür möglichst viele Dinge braucht und kaufen soll», sagt Anna Knutti, Dozentin an der Berner Fachhochschule Wirtschaft. Zu ihren Schwerpunkten gehört unter anderem Konsumverhalten im Secondhand-Bereich.
4000 Franken für die Erstausstattung
Und tatsächlich: Hinter den niedlichen Stramplern und den hübschen Accessoires fürs Kinderzimmer steht ein millionenschwerer Markt. Zwar gibt es keine zusammenfassenden Zahlen für die Schweiz, die den gesamten Umsatz des Marktes ausweisen. Die Daten zu den einzelnen Produktgruppen erlauben aber eine Schätzung: So belief sich laut Erhebungen der Umsatz mit Babypflegeprodukten im Jahr 2023 auf rund 50,1 Millionen Franken. Jener mit Windeln soll im laufenden Jahr statistischen Schätzungen zufolge rund Foto: Shutterstock 164 Millionen Franken betragen, für Baby und Kinderkleider sollen es zirka 1,5 Milliarden Franken sein.
Für Familien geht das ins Geld: Im Schnitt geben Eltern fast 4000 Franken für die Erstausstattung ihres Kindes aus. Zu diesem Schluss kommt die Post Finance in einer Schätzung. Am meisten ins Gewicht fallen Produkte für unterwegs wie Kinderwagen, Tragehilfen und Babyschalen fürs Auto (total zirka 1500 Franken). An zweiter Stelle folgt das Zubehör fürs Wickeln und Schlafen, beispielsweise Babybett mit Matratze, Schlafsack, Babyphone, Wickeltisch, -unterlage und -eimer (zirka 1300 Franken). Und auf Platz drei liegen die Babykleider (rund 440 Franken). Je nach Marke und Produkt können die Kosten in den einzelnen Bereichen auch höher sein.
Secondhand lohnt sich doppelt
Eine Möglichkeit, das Familienbudget zu schonen, ist, die Erstausstattung secondhand zu kaufen. Gebrauchte Stücke gibt es oft zu einem deutlich niedrigeren Preis. Das Angebot an Gebrauchtem ist gross (siehe Box 2). Denn die Bodys und Strampler der ersten Monate können die Kleinen teilweise nur wenige Male tragen, weil sie so schnell wachsen. Manche Babys mögen keine Tragetücher, andere liegen ungern im Kinderwagen. Die Babyschale fürs Auto ist nach einem Jahr zu klein, der Spielbogen nach einigen Monaten uninteressant und die Wickelkommode irgendwann zu sperrig fürs Kinderzimmer. «Es gibt viele Dinge, die mehr oder weniger neu, teilweise sogar ungebraucht in Brockenhäusern, auf Flohmärkten oder Onlineplattformen verkauft werden», sagt Anna Knutti und ergänzt: «Wer Secondhand kauft, bekommt einen attraktiven Rabatt und kann so viel Geld sparen.»
Ein T-Shirt 6000 Liter Wasser
Mindestens so wichtig wie der finanzielle Aspekt ist die Nachhaltigkeit. «Jeder Artikel, der nicht neu gekauft wird, schont Ressourcen und die Umwelt. Und je länger ein Artikel genutzt wird, umso besser», sagt Remo Bräuchi, Projektleiter Umweltkommunikation und Partizipation bei der Stiftung Pusch – Praktischer Umweltschutz. Ein paar Zahlen und Fakten verdeutlichen dies: Die Produktion eines Baumwoll-T-Shirts für eine erwachsene Person verbraucht zirka 6000 Liter Wasser. Beim Anbau von herkömmlicher Baumwolle kommen zudem rund 16 Prozent der weltweit verwendeten Pestizide und Düngemittel zum Einsatz. 80 Prozent der feinen Merinowolle stammt aus Australien, wo das sogenannte Mulesing noch erlaubt ist. Dabei züchten die Hersteller Schafen zusätzliche Hautfalten an, um mehr Wolle zu produzieren. Um wiederum den Fliegenbefall bei den Tieren in bestimmten Körperregionen zu verhindern, wird Lämmern die Haut dort weggeschnitten – laut Tierschutzorganisationen meist ohne Narkose. Weltweit werden laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) jährlich 460 Millionen Tonnen Plastik produziert – Tendenz steigend. Diese Produktion verursacht rund 3,3 Prozent der weltweiten Treibhausgase.
Zur Orientierung haben wir hier eine knappe Liste zusammengetragen. Das meiste kann gebraucht gekauft werden.
Hygiene und Gesundheit
• Babyöl
• Wundcreme
• Babybadewanne mit Einsatz
• Badetuch mit Kapuze
• Waschlappen
• Fiebermesser
• Babynagelschere
• Spucktücher
Für die Wohnung
• Babybett mit Matratze
• Matratzenschoner
• Laken
• Schlafsack
• Babyphone (je nach Schlafsituation)
• Krabbeldecke
• Rassel, Spieluhr oder Ähnliches
Wickeln
• Wickelkommode/Wickeltisch mit Auflage
• Wickeltücher
• Windeln
• Windeleimer
• Feuchttücher
Mobilität
• Kinderwagen mit Babyschale
• Regen- und Sonnenschutz für den Wagen
• Fusssack oder dünne Decke (je nach Jahreszeit)
• Babyschale fürs Auto
• Babytrage oder Tuch
Kleidung
• 8 Bodys
• 8 Strampler (für tagsüber und zum Schlafen)
• 2 Käppchen
• 4 Jäckchen/Pullis (je nach Jahreszeit)
• 2 Strumpfhosen (je nach Jahreszeit)
• Söckchen
• Overall für draussen (je nach Jahreszeit)
Für Mütter
• Still-BHs (können allenfalls erst nach ein paar Tagen gekauft werden)
• Stillkissen
• Milchpumpe, Milchbeutel und Schoppen
• Brustpflege
• Wochenbettbinden
Die wichtigsten Fragen
Anna Knutti rät dazu, sich vor jedem Kauf zwei Fragen zu stellen. Erstens: Brauche ich dieses Produkt wirklich? Ist die Antwort nein, kann man verzichten. Laut Knutti befriedigen viele Menschen über Konsum nämlich ein anderes Bedürfnis, es geht nicht um den effektiven Nutzen des Produktes. «Wir kaufen oft Dinge, die wir nicht brauchen. Der Kauf hat beispielsweise zum Ziel, unsere Nervosität als werdende Eltern zu beruhigen, uns nach einem anstrengenden Tag zu belohnen oder uns das Gefühl zu vermitteln, eine gute Mutter oder ein guter Vater zu sein.»
Kommt man zum Schluss, dass man ein Produkt tatsächlich benötigt, lautet die zweite Frage: Brauche ich dieses Produkt wirklich neu? «Bei den wenigsten Dingen gibt es klare Gründe, um sie neu zu kaufen. Wir bekommen das Meiste in sehr guter Qualität gebraucht.» Einzig bei hygiene- oder sicherheitsrelevanten Produkten sowie bei Einmalprodukten ist laut Anna Knutti ein Neukauf wirklich nötig.
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, gebrauchte Dinge zu kaufen oder Dinge, die man selbst nicht mehr braucht, zu verkaufen. Wir haben hier ein paar Möglichkeiten aufgelistet – inklusive ihrer Vor- und Nachteile.
Chatgruppen/ Elterngruppen
Einkaufen
+ preiswert oder sogar gratis, nahe, Produkte können geprüft werden und kommen von mehr oder weniger bekannten Personen
– allenfalls begrenzte Auswahl
Verkaufen
+ einfach in der Handhabung, wenig Aufwand, Tauschmöglichkeiten in der Nähе
– manchmal keine Einnahmen, begrenzte Abnehmerschaft
Brockenhäuser
Einkaufen
+ preiswert, Auswahl ist bereits kuratiert (je nach Brocki), Produkte können angeschaut und geprüft werden
– begrenzte Auswahl
Verkaufen / Abgeben
+ kein zeitlicher Aufwand
– keine Einnahmen
Übersicht über gewisse Brockenhäuser unter: brockisearch.ch
Flohmärkte
Einkaufen
+ preiswert, Produkte können angeschaut und geprüft werden
– finden nur an bestimmten Daten statt, allenfalls begrenzte Auswahl
Verkaufen
+ Einnahmen, Spass (gerade mit Kindern)
– zeitlicher Aufwand
Eine Übersicht über gewisse Flohmärkte unter flohmarkttermine.ch oder auf lokalen Eventseiten.
Kinderbörsen
Einkaufen
+ grosse Auswahl, Produkte können geprüft werden, preiswert
– Nachteile: finden nur zu bestimmten Terminen statt
Verkaufen
+ oft viel Kundschaft, Einnahmen
– Nachteil: Kann zeitlich aufwendig sein
Eine Übersicht über gewisse Kinderbörsen unter kindex.ch oder auf lokalen Eventseiten.
Kinder-Secondhand-Geschäfte und Plattformen
Einkaufen
+ kuratierte Produkte, gute, oft geprüfte Qualität
– manchmal eher teuer, begrenzte Auswahl
Verkaufen
+ wenig zeitlicher Aufwand, Einnahmen
– oft strenge Aufnahmekriterien
Übersicht über einige Secondhand-Geschäfte und Plattformen gibt es unter kindex.ch
Onlinemarktplätze
Einkaufen
+ ständiger und einfacher Zugang, grosse Auswahl, teilweise sehr preiswert
– Produkte können nicht geprüft werden, manchmal unzuverlässig, Recherchezeit
Verkaufen
+ ständiger und einfacher Zugang, Einnahmen, kann von zu Hause aus gemacht werden
– kann zeitaufwendig sein, je nach Produkt grosse Konkurrenz und tiefer Verkaufserfolg