Corona
Schwangerschaft und Geburt in Coronazeiten
Covid-19 verunsichert Schwangere und Gebärende, viele machen sich Sorgen um ihr Kind. Was bedeutet dieser Ausnahmezustand für sie? Wir haben bei einer Hebamme, einem Facharzt und fünf Müttern nachgefragt.
Vielleicht umschreibt es die alte Formulierung «In guter Hoffnung sein» ganz treffend: Ein Kind in sich zu tragen heisst oft, eine Wagenladung voller Glück zu empfinden – die leise Sorge um das Baby im Bauch aber schwingt immer mit.
Nun gesellte sich zur Unsicherheit einer Schwangerschaft Corona hinzu und werdende Mütter erhalten seit Mitte letzten Jahres den Stempel «Risikogruppe» aufgedrückt: «Aus Vorsichtsgründen sind schwangere Frauen und ihre Feten im Falle einer Coronavirus-Epidemie durch Sars-CoV-2 als vulnerabel einzustufen», heisst es trocken in einer Information zum Mutterschutz der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG).
Eine Einstufung, die Schwangere zusätzlich beunruhigt und den Nährboden für besorgte Fragen schafft: Was bedeutet eine Ansteckung für mich und mein Ungeborenes? Kann ich normal gebären? Kann ich stillen? Soll ich mich impfen lassen?
Springen Sie hier direkt zu den Erzählungen der fünf Frauen, die im Jahr 2020 während der Pandemie schwanger waren oder ein Kind zur Welt brachten.
Fragen, die damals auch unvorbereitet auf die Fachleute einprasselten. Die Hebammen gehörten zu den ersten, die den Stimmungsbarometer, die Sorgen und Nöte der Schwangeren während der sich ausbreitenden Pandemie mitverfolgen konnten.
Für Isabell Ackermann-Büchel, leitende Hebamme am Kantonsspital St.Gallen, ist die Palette an Ungewissheiten, denen sich werdende Mütter und Väter stellen müssen, breit: «Die einen sorgen sich um ihr Ungeborenes wegen der Einstufung in die Risikogruppe, andere machen sich Gedanken zur Maskentragepflicht unter der Geburt, der Anwesenheit ihrer Partner während der Geburt oder der Besucherregelung.»
Ein psychischer und physischer Marathon nicht nur für Schwangere, sondern auch für alle, die sie fachlich begleiten. Denn Hebammen und Geburtsbegleiter* innen müssen weiterhin Zuversicht und Kompetenz ausstrahlen – und sich gleichzeitig im Eilzugtempo auf medizinischem Neuland Wissen aneignen, wo selbst Wissenschafter* innen noch lange im trüben Teich fischten.
So ist etwa die Frage, ob sich ein Baby vorgeburtlich mit Sars-CoV-2 anstecken kann, noch nicht gänzlich geklärt. Laut Daniel Surbek, Ordinarius und Chefarzt an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde am Inselspital Bern, sind bisher zwar keine Schädigungen des Fetus bekannt.
Aber in Einzelfällen kann das Virus während einer Schwangerschaft zur Plazenta und zum Kind gelangen. «Dies kann zu Plazentaveränderungen führen, die unter Umständen die Durchblutung und das Kindswachstum beeinträchtigen.» Die SGGG empfiehlt deshalb nach einer festgestellten Covid-19-Erkrankung in der Schwangerschaft zu engmaschigen Ultraschallkontrollen.
Während der Geburt kann sich ein Säugling zwar tatsächlich bei seiner infizierten Mutter mit Sars-CoV-2 anstecken: «Aber das kommt in nur etwa fünf Prozent der Fälle vor, in denen die Mutter positiv getestet wurde, und führt in den allermeisten Fällen zu keiner schweren Erkrankung beim Neugeborenen», beruhigt Daniel Surbek.
Und hat sich eine Mutter kurz vor der Geburt mit Sars-CoV-2 infiziert, stellt auch ein geplanter oder ein Notfall-Kaiserschnitt kein erhöhtes Risiko dar. Umgekehrt wird aber nie nur wegen einer Covid-19-Erkrankung per Kaiserschnitt entbunden, sondern – wie sonst auch – einzig aus geburtshilflichen Gründen.
Gefordert sind Hebammen vor allem dann, wenn eine corona-positive Schwangere zur Geburt kommt oder beim Spitaleintritt positiv getestet wird: «Um nicht angesteckt zu werden, müssen wir uns während der Geburt speziell vor einem möglichen Kontakt mit Körperflüssigkeiten schützen», sagt Isabell Ackermann-Büchel.
Der Partner darf bei der Geburt dennoch dabei sein. Allerdings muss er sich danach unverzüglich wieder zu Hause in Quarantäne begeben und darf Frau und Kind in den folgenden Tagen nicht besuchen. Ist hingegen der werdende Vater oder eine andere Begleitperson positiv, dürfen diese die Gebärende nicht begleiten.
Punkto Stillen muss sich eine positiv getestete Mutter keine Sorgen machen, das Neugeborene darf bei ihr bleiben und gestillt werden. «Der positive Effekt des Stillens ist klar hervorzuheben – trotz einer Covid-19-Infektion», sagt Isabell Ackermann-Büchel.
Hygienemassnahmen wie das Tragen einer Gesichtsmaske und strenge Händehygiene gelten trotzdem. Und: «Die Mutter muss, ausser beim Stillen, wann immer möglich einen Abstand von eineinhalb Metern zu ihrem Baby einhalten.»
Und was ist mit Covid-19-Impfungen während der Schwangerschaft? Bis anhin liegen kaum klinische Studienergebnisse vor. Zwar würden tierexperimentelle Studien mit mRNA-Impfstoffen nicht auf direkte oder indirekte Wirkungen auf die embryonale und fötale Entwicklung, die Geburt oder die postpartale Entwicklung hinweisen.
Trotzdem empfiehlt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) Schwangeren zurzeit generell noch nicht, sich impfen zu lassen. Bis auf wenige Ausnahmen: Bei Frauen mit Vorerkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck, Übergewicht, Herz- oder Autoimmunkrankheiten muss der potenzielle Nutzen einer Impfung zur Verhinderung von schwer verlaufenden Erkrankungen gegenüber den fehlenden Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit abgewogen werden.
Schwangere müssen durch ihre Fachärzt* innen über Vor- und Nachteile einer Impfung aufgeklärt werden. Auch darüber, dass noch keine klinischen Studienergebnisse vorliegen. Auf dieser Grundlage muss eine werdende Mama die Entscheidung für oder gegen die Impfung selber fällen.
Die Pandemie-Situation ändert sich rasch. Viele Eigenschaften des Coronavirus Sars-CoV-2 sind noch nicht erforscht. Wichtig ist es deshalb, sich während der Schwangerschaft bei der betreuenden Ärztin und im Spital über den aktuellen Stand der Bestimmungen zu informieren.
Fünf Mütter erzählen von Schwangerschaft und Geburt in Pandemiezeiten
Angst, das ungeborene Kind anzustecken: Jennifer (33)
Ich bin mit meinem zweiten Kind in der 19. Woche schwanger. Die erste Schwangerschaft vor vier Jahren konnte ich in vollen Zügen geniessen und die Vorfreude mit Freunden und Familie teilen.
Jetzt ist alles anders. Wir leben sehr zurückgezogen, fast ohne Kontakte zu Menschen ausserhalb unseres Haushaltes. Dass ich als Schwangere zu einer Risikogruppe gehöre, nehme ich sehr ernst. Meine Eltern oder die Schwiegereltern treffen wir noch immer nur draussen und unter Einhaltung der Abstandsregel.
Ich arbeite Teilzeit als kaufmännische Angestellte. Aufgrund der Kurzarbeit bin ich meist allein im Büro. Oder wir sind zu zweit, jede in einem eigenen Raum.
Zudem schaue ich als Nanny einen halben Tag pro Woche bei einer Familie zu deren drei Kindern. Dort trage ich konsequent eine FFP2-Maske. Meine kleine Tochter dürfte ich dort immer mitbringen. Wegen Corona habe ich mich aber entschlossen, sie einer Nachbarin zum Hüten zu bringen. Diese hat zurzeit ebenfalls keinen Kontakt mit anderen Menschen und arbeitet von zu Hause aus. So ist das Risiko für eine Ansteckung sehr klein.
Ehrlich gesagt habe ich grosse Angst, mich mit dem Virus zu infizieren und dieses während der Schwangerschaft oder der Geburt auf das Baby zu übertragen. Die grösste Sorge bereitet mir, dass mein Baby allfällige Folgeschäden davonträgt und wegen einer geschädigten Lunge lebenslang unter Einschränkungen leidet.
Auf die Geburt und den Spitalaufenthalt hin schaue ich ebenfalls mit Besorgnis. Ich hoffe, dass mein Mann dabei sein darf. Aber ob meine Tochter und meine Eltern uns besuchen kommen können, steht noch in den Sternen.
In meinem Kopf drehen sich immer wieder die Gedanken, wie es wohl mit dem Virus weitergehen wird, wenn unser Kind auf der Welt ist. Als Mutter möchte ich doch nur das Beste für mein Baby und es so gut wie möglich beschützen.
Herz-OP des Neugeborenen musste verschoben werden: Brigitte (34)
Da ich schon drei Kinder natürlich gebar, wünschte ich mir dies auch für unser viertes Kind. Es kam aber anders als geplant.
Weil die Nabelschnurdurchblutung nicht optimal funktionierte, schickte mich meine Ärztin aus dem Urner Maderanertal nach Luzern zu einer weiteren Untersuchung. Wegen Corona durfte mein Mann nicht mitkommen. Da nahm ich in der 30. Woche die Diagnose «mit hoher Wahrscheinlichkeit Trisomie 21» allein entgegen. Man sah da bereits, dass der Fötus an einem Herzfehler und einer Darmverengung litt.
Zu Hause besprach ich alles mit meinem Mann. Wir entschieden uns, keine weiteren Tests zu machen, auch keine Fruchtwasserpunktion. Wir wollten das Risiko nicht eingehen, unser Kind deswegen zu verlieren.
Für uns war klar, es sollte genauso zur Welt kommen, wie es war, ob mit oder ohne Behinderung. Wir leben weit oben in den Bergen auf einem Bauernhof, für unser Kind wird es hier immer einen Platz geben.
Als die Geburt nahte, lag Aleria in Steisslage. Ich wünschte eine äussere Wendung, aber das klappte nicht, weil die Nabelschnur Alerias Hals umwickelte. Deshalb empfahlen die Ärzte einen Kaiserschnitt.
Einen Tag nach der Geburt wurde Aleria am Darm operiert. Das bekam ich gar nicht richtig mit, weil ich mich vom Kaiserschnitt und von den Schmerzmedikamenten noch so beduselt fühlte.
Umso dankbarer war ich für die wunderbar einfühlsame Hebamme, die mich die ganze Zeit begleitete. Eigentlich fand ich es richtig erholsam im Spital, denn das erste Mal seit langem gönnte ich mir Power Naps, wann immer ich wollte. Ich blieb fünf Tage in der Frauenklinik, die zum Glück gleich neben dem Kinderspital Luzern liegt.
Die Milch pumpte ich ab und mein Mann kutschierte mich damit im Rollstuhl in den unterirdischen Gängen des Spitals zu unserem Mädchen. Aufgrund der Pandemie war er der Einzige, der uns besuchen durfte.
Der Termin für Alerias Herz-Operation wurde immer wieder verschoben – wohl wegen der vielen Corona-Notfälle. Mittlerweile hat unsere Kleine die OP gut überstanden und damit eine höhere Lebenserwartung. Wir lieben sie alle heiss, Aleria ist zum Knuddeln!
Nur der Partner durfte zu Besuch kommen: Marija (34)
Dass ich laut BAG während der Schwangerschaft plötzlich zu einer Risikogruppe zählte, hat meinen Alltag nicht wesentlich verändert. Im Schulhaus – ich bin Lehrerin – kam mir die Einführung der Maskenpflicht sogar entgegen. Die Lernenden waren alle sehr bemüht, bei mir im Unterricht die Maske ordentlich zu tragen.
Leider durfte meine Hebamme wegen Corona keine Geburtsvorbereitungskurse anbieten. Das persönliche Gespräch zu dritt als Vorbereitung fanden wir jedoch toll und haben es sehr geschätzt. Unser Kind kam Ende November 2020 zur Welt.
Während der Schwangerschaft belastete mich vor allem die Vorstellung, dass ich meine erste Geburt ganz allein, ohne meinen Mann, erleben müsste. Deshalb entschieden wir uns bewusst für das Kantonsspital Olten. Dort wurden Mutter und Vater auch während des ersten Lockdowns nie getrennt.
So durfte mein Mann bei der Geburt tatsächlich immer dabei sein. Und da wir ein Familienzimmer hatten, auch danach jederzeit ein- und ausgehen und bei uns übernachten.
Ich habe die ersten paar Tage als sehr positiv empfunden. Mit dem Stillen klappte es bestens und weil auf der Geburtenstation nur der Partner zu Besuch erlaubt war, konnten wir meist für uns sein. Im Krankenhaus ist morgens viel los, nachmittags genossen wir jeweils die Ruhe zu dritt.
Die Augen der Hebamme zu sehen, genügte: Mimma (37)
Eine Freundin von mir gebar im April 2020 im Kantonsspital Aarau (KSA). Ihr Partner durfte erst kommen, als sie in den Gebärsaal verlegt wurde, und musste danach das Gebärzimmer wieder verlassen. Nicht einmal besuchen durfte er sie in den folgenden Tagen.
Dieses trostlose Szenario schwebte mir während meiner Schwangerschaft vor. Zum Glück ebbte die erste Corona-Welle ab und mein Mann konnte mir beim Gebären im September 2020, ebenfalls im KSA, die ganze Zeit «assistieren». Abends musste er unser Einzelzimmer zwar verlassen. Da ich nur zwei Nächte im Spital blieb, hielt ich das aber gut aus.
Der grosse Unterschied zur Geburt unserer ersten Tochter waren die Masken. Alle mussten eine tragen. Ich befürchtete im Vorfeld, dass mir das betreuende Personal fremd bleiben würde und ich während des Gebärens von lauter anonymen Menschen umgeben sein würde. Ich täuschte mich.
Die Hebamme unterstützte mich mit so beruhigender Stimme und sie war eine so tolle und liebe Frau, dass es keine Rolle spielte, ob ich nur ihre Augen sah oder das ganze Gesicht.
Während der Schwangerschaft schrieb mich die Frauenärztin wegen verfrühter Wehen krank. Ich befürchtete, dass bei einer allfälligen Frühgeburt, bei welcher manchmal Lungenprobleme auftreten, Covid-19 eine zusätzliche Gefahr darstellen könnte. Die Lunge des Kindes reift ja während der Schwangerschaft zuletzt aus.
Die Geburt unseres Kindes wurde dann eine Woche nach Termin eingeleitet. Trotzdem fragte ich unsere Kinderärztin als Erstes, ob Covid-19 gefährlich sei für unser Baby. Sie verneinte zwar, aber ich bin mir nicht sicher, wie viel man dazu schon weiss. Ich blieb deshalb vorsichtig.
Während wir die erste Tochter nach der Geburt noch fast jedem stolz für Fotos in die Arme drückten, schützen wir unser Neugeborenes sehr. Die Kleine wurde bis anhin erst von den Eltern und Schwiegereltern gehalten. Ich mag es noch immer nicht, wenn Fremde meinem Baby zu nahekommen.
Ohne Familie zur Geburt: Stefanie (43)
Ich bin jetzt in der 38. Woche schwanger. Meine grösste Sorge auf die Geburt hin ist aber nicht etwa Corona, sondern mein Alter. Ich befürchte, dass es zu Diskussionen vor oder während des Gebärens kommen könnte, dass eingeleitet werden muss, die Ärzte intervenieren, obwohl ich eine hebammengeleitete Geburt habe, oder die Nabelschnur nicht auspulsiert wird.
Meine beiden älteren Kinder (7 und 4) habe ich im Paracelsus-Spital in Richterswil geboren. Die Atmosphäre dort war angenehm und positiv. Aber das Spital musste seinen Betrieb inzwischen leider einstellen. In den konventionellen Krankenhäusern weht ein anderer Wind – es schwingt mehr Angst bezüglich einer Geburt mit.
Deshalb bin ich nun doch ein wenig besorgt, dass meine leicht verstopfte Nase wegen einer Schwangerschaftsrhinitis und der Reizhusten gleich als Corona-Infektion gedeutet werden könnten. Man wird ja sowieso bei jedem Husten angesprochen – manchmal auch etwas harsch.
Leid tun mir meine beiden Töchter. Sie würden das Baby dann sicher am liebsten sofort und jeden Tag besuchen wollen. Aufgrund der Corona-Massnahmen ist das nicht möglich. Denn zur Geburt kann nur der Partner mitkommen und pro Tag darf mich nur eine Person besuchen. Meine ältere Tochter hat deswegen schon geweint.
Am liebsten wäre es uns gewesen, wenn mich die ganze Familie zur Geburt hätte begleiten können, respektive vor dem Gebärsaal warten, bis das Baby da ist. Das ist meiner Ansicht nach sehr integrativ, weil das Neugeborene sofort in den Familienverbund aufgenommen wird...
Dieser Artikel erschien zuerst in «wir eltern», Ausgabe 4/21. Die medizinischen Aussagen betreffen die Empfehlungen und den Wissensstand dieses Zeitraums.