Sextalk
Sexy Biest und Mama, wie soll das gehen?
Wenn aus Frauen Mütter werden, steht die eigene Identität auf dem Prüfstand. Erotische Körperlichkeit und gute Mutter erscheint da manchen als Widerspruch. Zu Unrecht.
Früher nahm ich regelmässig Gesangsunterricht. Immer wieder suchte ich Songtitel aus, die mich persönlich berührten. Wie das Lied von Meredith Brooks: «Bitch.» Der Text: «I'm a bitch, I'm a lover, I'm a child, I'm a mother, I'm a sinner, I'm a saint, I do not feel ashamed.» Frei übersetzt: «Ich bin eine Schlampe, ich bin eine Liebhaberin, ich bin Kind, ich bin Mutter, ich bin Sünderin und Heilige – und schäme mich dafür nicht.» Dieser Text hat mich damals förmlich angeschrien. Nach einer schweren Krankheit machte ich mir sehr viele Gedanken über das Leben. Seit Langem verheiratet, mein Kind um die acht Jahre alt, ich selbst um die vierzig, fragte ich mich: Bin ich glücklich? Wer bin ich? Tochter, Mutter, Haushälterin, Freundin, Liebhaberin ... Früher war doch alles einfacher.
Bin ich eine Schlampe?
Auch folgende Frage gehörte leider für mich dazu: Woran lag es, dass wir so wenig Sex hatten? Uns nicht mehr küssten? Gerade zum absterbenden Liebesleben gibt es reichlich Erklärungsversuche. Eine Sache spielt sicher mit rein, nämlich: Sind Eltern auch sexuelle Wesen? Dürfen sie an sich selbst denken? Gerade Frauen lernen früh, sich um andere zu kümmern, und um sich selbst erst sehr viel später – oder nie. Oder: «Wenn ich Sex mag, bin ich eine Schlampe, das passt nicht zum Mama-Sein.» Fröhliche Gedanken an Sex werden dadurch verdrängt.
Als Sexologin kann ich nur betonen: Klar geht beides zusammen, sexy Biest und Mama. Das eine hat vielleicht sogar mit dem anderen zu tun. Wie ich das meine? Eine Frau kann sehr wohl ihr sexuelles Ich kennen, mögen und leben, und gleichzeitig – in anderen Situationen – eine hervorragende Mutter sein. Wie wäre der vorsichtige Gedanke, dass es sogar gesund und gut sein könnte, wenn der Nachwuchs mitbekäme, dass die Eltern sich körperlich mögen und dass es da etwas gibt, was sie zusammen machen, bei dem sie allein sein möchten? Könnte es nicht zu einem guten Gefühl bei den Kindern und später zu lebensbejahender Sexualität führen, wenn «Sexualität» und «Körper» in Familien positiv besetzt wären? Ich spreche öfter von «dem Wind, der zu Hause wehte» zu diesen schambehafteten Themen.
Sex gehört zum Leben
Natürlichkeit in diesem Bereich können gewiss nur Eltern vorleben, die es auch für sich selbst entspannt sehen und wahrnehmen. Der Umgang mit Sexualität und Liebe hat eben mit der eigenen sexuellen Identität zu tun, darüber macht sich aber kaum jemand von sich aus Gedanken. Ärgerlich, denn es braucht nur wenig Interesse und Reflexion für Veränderung. Sex und Liebe gehören zum Leben. Es ist nichts Verwerfliches daran, sich als sexuelles Wesen zu empfinden und gleichzeitig Eltern zu sein. Eltern, die eine kleine Portion Mut haben, sich so zu zeigen, wie sie wirklich sind und unter Umständen aushalten können, dass andere es anders empfinden, sind gut aufgestellt. Wie es in dem Lied von Meredith Brooks im Refrain heisst: «I am little bit of everything all rolled into one.» Frei ins Deutsche: «Ich bin vieles in einem.»
Das Leben braucht Farbe. Enjoy !