
Adrian Hablützel
Medien / Digital kompetent
Geliebte Glotze: Der richtige Umgang mit der Mediennutzung von Kindern
Von Daniela Poschmann
Kinderstunde ist heutzutage dank TV, YouTube und Apps den ganzen Tag. Doch welche Formate sind für Kids wirklich geeignet? Und wie viel Bildschirmzeit darf es sein? Eine Anleitung zu mehr Klarsicht.
Grundsätzlich gilt: Kinder nicht unbegleitet ins Netz lassen! Aber diese Webseiten eigenen sich für Kinder und Jugendliche.

Bildschirm-Zeit: Das empfiehlt der Bund
0 bis 2 Jahre
Gar keine
3 bis 5 Jahre
Maximal 30 Minuten pro Tag
6 bis 9 Jahre
Maximal 5 Stunden pro Woche
10 bis 12 Jahre
Maximal 10 Stunden pro Woche
Nico kann kaum blinzeln, weil er Angst hat, etwas zu verpassen», sagt Manuela Müller und schmunzelt. War die Mutter aus Wohlen bisher strikt dagegen, dass ihr Kleiner fernsieht, darf er seit kurzem das «Guetnachtgschichtli» gucken. Nico ist zwei geworden, versteht ihrer Meinung nach nun die kurzen Geschichten, und was er nicht versteht, darüber sprechen sie im Anschluss. Ein Ritual ist entstanden.
Als Kinder-TV in der Schweiz begann, wurde Fernsehen noch als Bildungsmedium aufgefasst: Ab 1968 sassen Kinder bei den Vorschulprogrammen «Spielhaus» und «Gutenacht- Geschichten» vor der Kiste. Konnte man früher nur zu den vorgesehenen kurzen Sendezeiten Kinder-TV wie die «Gutenacht-Geschichte» empfangen, gibt es heute eine Flut von Fernsehangeboten für Kinder: Von öffentlich-rechtlichen Angeboten wie Zambo von SRF (ab 6 Jahren) oder dem deutschen Sender Kika bis zu privaten Fernsehkanälen wie dem neuem Schweizer Sender TV24 Junior oder den ausländischen Sendern Nickelodeon oder SuperRTL. Von ständiger Verfügbarkeit von Videos via YouTube oder die sendereigenen Websites ganz zu schweigen. «Die» Kinderstunde gibt es nicht mehr.
Der ständigen Verfügbarkeit der Inhalte zum Trotz tun sich viele Eltern schwer mit Bewegtbildern für Kleinkinder, sei dies auf dem Smartphone, dem Tablet oder am TV. Zu Recht?
Einer der prominentesten Kritiker von digitalen Medien ist der deutsche Hirnforscher und Psychiater Manfred Spitzer, der die Aussage seines kontrovers diskutierten Buchs «Digitale Demenz» in einem Interview so auf den Punkt bringt: «Es besteht die Gefahr, dass Kinder dumm, dick und aggressiv werden.» Allerdings geht es selbst Spitzer nicht um die komplette Bildschirmabstinenz von Kindern. Die Dosis mache das Gift, sagt er.
In Begleitung Erwachsener
Neben dem Zauberwort Dosis ist für Experten auch die Begleitung durch Erwachsene zentral. «Bildschirmmedien sind an sich nicht schädlich», sagt Daniel Süss, Kinderund Medienpsychologe an der ZHAW. Zumal sie zu unserer Kultur gehören. Allerdings sollten Kleinkinder weder mit Bildschirmgeschichten noch mit Bilderbüchern allein gelassen werden. Für die soziale und sprachliche Entwicklung sei ein Austausch mit der Bezugsperson wichtig. Auch für Eltern, die Kinder unter drei Jahren ab und zu mal eine Sendung schauen lassen, hat der Professor beruhigende Worte: «Spätfolgen bei Kleinkindern sind nur zu erwarten, wenn sie lange Zeit vor dem Fernseher allein gelassen werden und beunruhigende Bilder sehen oder Töne hören. Sind die Eltern dabei, fühlen sich die Kinder geborgen.»
Denn: Für Kleinkinder leben die Figuren im Fernseher, und wenn sich etwa der kleine Hund verletzt, kann es sie sehr mitnehmen. Zumal bewegte Bilder weitaus stärker emotionalisieren als Bilderbücher. Ausserdem kann das frühkindliche Gehirn nur wenig auf einmal verarbeiten, sodass Bildschirmmedien zu einer Reizüberflutung und somit zu Verunsicherung führen können.
Vor allem bei Vorschulkindern muss man sich auf die eine oder andere Frage gefasst machen. Denn warum der Elefant im Fernsehen so ganz anders aussieht als der im Zoo und dazu noch sprechen kann, verstehen sie nicht. Sie sind noch zu unerfahren, um Fiktion und Realität, Ironie und Ernst unterscheiden zu können. «Aus den Antworten der Erwachsenen bauen sie sich dann schrittweise ihr Weltbild auf», erklärt Süss.
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... und dann ab ins Freie
Landesweit geltende Regelungen für Alterskennzeichnungen von Filmen und Computerspielen, die verkauft oder angeboten werden, gibt es derzeit nicht. Ein entsprechendes Gesetz ist in Planung. Im Internet finden sich jedoch einige Empfehlungen, und gegen Tierdokumentationen, wie Manuela Müller sie ihrem Nico gerne zeigt, ist laut Süss grundsätzlich nichts einzuwenden.
Nach der Frage zu altersgerechten Sendungen kommt häufig die Frage nach der Dauer. Zwar gibt es die vom Bund veröffentlichten Richtlinien (s. rechte Spalte), doch diese sind nicht in Stein gemeisselt. Schliesslich ist jedes Kind anders. Eine Stunde kann für ein Kind, das ansonsten aktiv ist, sich mit Freunden trifft und Hobbys nachgeht, völlig in Ordnung sein, während es für ein anderes, eher zurückgezogenes Kind schon zu viel wäre. Dazu kommt die physische Komponente: Ohne Ausgleich kann zu viel Zeit vor der Glotze zu Haltungs- und Augenschäden führen.

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