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Mamaversum
Rund, aber sowas von! Na und!?
«Ich fand es cool, wie meine Tanten auszusehen», schreibt unsere Kolumnistin Maja. Sie war als Kind bereits pummelig und fand es total okay, rund zu sein wie die drei Schwestern ihres Vaters. Ihre Familie hat ihr beigebracht, dass Menschen verschieden sein dürfen, dass Vielfalt okay ist.
Kennst du den Spruch: «Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert»? Bei mir ist es nicht ein ruinierter Ruf, sondern das gängige Schönheitsideal, dem ich als Kind schon nie entsprochen habe, das mir zu einem ungenierten Leben verholfen hat. Das klingt schräg. Lass es mich erklären. Bei mir hat sich die Genetik väterlicherseits durchgesetzt. Während meine Mutter und meine Schwester schon immer zierlich waren, tanzte ich aus der Reihe. Ich war als Kind schon pummelig. Genau wie die drei Schwestern meines Vaters es stets waren und immer noch sind. Die Familie meiner Mutter: alle schlank, fein zierlich. Ich derweil wurde im Turnen immer als Letzte ins Team gewählt. Und als Jungs spannender als Puppen wurden, musste ich am längsten warten, bis ich meinem Tagebuch offenbaren konnte, dass ich endlich geküsst wurde.
Falls du nun Mitleid empfindest: nicht nötig. Für mich war mein Gewicht nie ein grosses Thema. Und wenn doch, dann nur kurz. Langfristig hat mich nie gestresst, dass an mir mehr dran war als an meinen Freundinnen. Was wie Schönrederei klingt, ist keine. Natürlich gab es Kids, die mich hänselten. Natürlich war das doof. Aber es war kein Drama. Einerseits dank meines krassen Cousins. Vor ihm hatten alle Schiss. Mit dem wollte man sich nicht anlegen. So ein Cousin war praktisch, kein Thema. Einen noch besseren Job haben aber meine Eltern und meine ältere Schwester gemacht. Für sie war mein Übergewicht nie ein Problem. So hat meine Familie das einzig Richtige gemacht: Sie hat mir beigebracht, dass Menschen verschieden sind. Dass Vielfalt eine Bereicherung ist. Dass jeder richtig ist, wie er ist, und dass man lieb zu sich und seinem Körper sein soll, weil er uns gesund hält und einen enorm tollen Job macht. Dabei ist es egal, ob man kleiner ist oder grösser, ob dünner oder dicker.
Tanzen auf den Tischen
Ob hell- oder dunkelhäutig. Ob blond oder rothaarig. Ich habe ihnen geglaubt und fand es cool, wie meine Tanten auszusehen. Keine von den dreien hat sich je versteckt. Sie stolzierten im Bikini durch die Badi und tanzten an Familienfesten in Miniröcken auf Tischen. Kürzlich sinniere ich mit einer von ihnen am Familienbrunch. Ich erzähle ihr, dass ich mich über Freundinnen ärgere, die ab Grösse 38 Panik kriegen, Diäten halten und täglich zum Sport rennen. Die Tante lacht: «Gell, da haben wir es einfacher. Wer nie superschlank war, rennt und trauert auch keinem Ideal nach.» So ein kleiner Satz. So eine grosse Wirkung. Und so gesund. Apropos klein und gross und gesund: Mein Sohn gehört im Kindergarten zu den Kleinsten. Neulich erzählt er, dass ein Bub stottert, dass eines der älteren Mädchen nicht gut schneiden kann und er bei den Buben der Kleinste ist. Ob ihn das störe, frage ich. «Nein, warum ! ?», sagt er. «Baba», so nennt er meine Mutter, «hat gesagt, dass es cool ist, wenn man unterschiedlich ist, alles andere wäre voll langweilig. Gell, das stimmt, Mami ! ?» Ich grinse. Und gebe meiner Mutter in Gedanken ein High five. Und zwar mit Anlauf.
Über Umwege, die sie als Reiseleiterin in die Türkei und an den Empfang von «Tele Züri» führten, landete Maja Zivadinovic im Journalismus. Zusammen mit Yvonne Eisenring und Gülsha Adilji machte sie seit 2021 den Podcast Zivadiliring. Ihr Lieblingsjob ist aber ein anderer: Seit Juni 2020 ist sie Mami eines Buben.