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Papacode
Nach dem Schulstart droht: Elternabend.
Elternabend ist für Reto wie ein unliebsames Meeting. Parallelen sieht er allemal: Powerpoint-Präsentationen und Fragen, welche gerne auch in einem Mail beantwortet werden könnten.
Quartalsbrief. So heisst das Schreiben unserer Schule, mit dem die Schulleitung jeweils über die wichtigsten Termine der kommenden Wochen informiert. Der schlimmste ist derjenige vor den Sommerferien. Denn bevor man sich zuerst gedanklich und dann physisch wahlweise ans Meer, in die Berge oder sonst wohin verzieht, steht in diesem Quartalsbrief schwarz auf weiss, was unseren Kindern – und noch schlimmer ! – uns Eltern kurz nach Schulstart droht: der Elternabend. (Obligatorisch für alle Eltern.)
Die Sommerferien sind mittlerweile vorbei. Und nein, der Elternabend hat sie nicht verdorben. Aber ganz ehrlich: So ganz losgeworden bin ich ihn gedanklich nicht. Zwischen Glace-Schlecken, Wanderwege-Abklappern und In-die-Sonne-Gucken tauchte das Thema wie ein Damoklesschwert immer mal wieder am Horizont auf. Und ich fragte mich: Wirds wohl wieder so schlimm wie letztes Jahr? Und vorletztes? Und vorvorletztes ?
Bis jetzt bin ich jedes Jahr hingegangen. Kopfschmerzen, Husten, andere kleine Wehwehchen oder gar die Männergrippe ( ja, sie ist mega schlimm !) vortäuschen, ist nicht. Unsere Zwillingsjungs gehen in unterschiedliche Klassen und die Elternabende finden, logisch!, immer gleichzeitig statt. Also sind meine Frau und ich gleichzeitig gefordert und müssen die Kids während dieser Zeit vom Fernseher fremdbetreuen lassen, was wir sonst natürlich nie tun würden.
Sechs Elternabende in Folge habe ich nun hinter mir. Im Fussball wäre das ein doppelter Hattrick und damit Grund zu feiern. Aber im Schulwesen fühlt sich das eher an wie ein Eigentor. Ich bin froh, dass sich irgendwelche Mönche vor ein paar hundert Jahren gesagt haben: «Du, lass uns da mal was mit Hopfen und Malz ausprobieren. Das kommt sicher gut !» Ich wüsste nämlich nicht, ob ich ohne ein grosses Bier intus die gefühlten 12,5 Stunden auf einem viel zu kleinen Stuhl überstanden hätte, ohne mich im Verlaufe des Abends mit folgendem Satz zu melden: «Liebe Leute, dieser Elternabend hätte auch eine Mail sein können.»
Tatsächlich passiert an den Elternabenden unserer Schule nicht viel mehr, als dass Power-Point-Folien durchgeklickt und vorgelesen werden. Es gibt Informationen über Znüni-Kiosk, Elternrat, Schulreisen, Hausaufgaben, den Schulweg mit und ohne Velo, Kommunikations-Apps und noch ein paar weitere Dinge. So genau weiss ich das nicht mehr, weil ich zwischendurch gedanklich abgeschweift bin und an unsere Katze, ans nächste Bier oder ans letzte Fussballspiel gedacht habe.
Zwischen dieser Frontalberieselung mit Informationen, die auf einer gut gefüllten A 5-Seite Platz gehabt hätten, und dem Apéro (Orangensaft, Henniez und Zweifelchips – muss ich mehr sagen ?) stehen noch zwei Traktanden auf dem Programm, die den ganzen Abend um mindestens zwei bis drei Pokémon-Folgen in die Länge ziehen können. Erstens die Wahl des Elternrats, und zweitens mein liebster Programmpunkt: «Haben Sie noch Fragen ?»
Jede Klasse muss zwei Vertreterinnen oder Vertreter für den Elternrat der Schule stellen. Während sich für die erste Vertretung schnell jemand findet ( Typ Drängler auf der Autobahn, Hemd und Anzug, kam direkt vom erfolgreichen Sales-Meeting ins Schulzimmer ), tut man sich bei der zweiten Wahl typischerweise schwer. Alle sind müde, alle sind durstig, alle wollen nach Hause, aber niemand will in den Elternrat. Meistens findet sich dann doch noch jemand. ( Typ zurückhaltend, sozialer Beruf, Strickjacke trotz 23 Grad.)
Womit wir bei der Fragerunde wären. Während einige Wortmeldungen durchaus berechtigt sind, gibt es dann immer noch Müt ... Eltern, die zum dritten oder vierten Mal das Wort ergreifen und eine Debatte lancieren: «Mein armer Justus-Maximilian muss mit Blick an die Wand sitzen. Wie kann das ein angemessenes Lernklima sein ?» Die Diskussion nimmt kein Ende, bis der Klassenlehrer sagt: «Schicken Sie uns doch bitte eine Mail mit Ihrem Anliegen ».
Äbe, äbe !