Steffi im Glück
Das kannst du dir abschminken!

Viviana Chiosi
Ich gebe unumwunden zu: Ich bin ein grosser Fan von Make-up in allen Formen. Und Mia und Lily sind von klein auf gewöhnt, dass sich Mami jeden Morgen zwischen zehn («Mindest-Programm» für den Heimgebrauch) und zwanzig («Ich-treffe-jemanden-in-der-Stadt-Programm» mit drei verschiedenen Lidschattenfarben) Minuten lang schminkt und sich während der Zeit ziemlich wenig darum schert, wer gerade wen drangsaliert und bloss vage Kommandos wie «Jetzt zieht euch sofort an, Mädels!» aus dem Badezimmer ruft, während sie sich mit der Wimpernzange herumplagt. Doch während auch Mia regelmässig fragt, ob sie nicht auch ein bisschen von meinem pinkfarbenen Wangenrouge haben dürfe, stellt Lilys Besessenheit mit Schminksachen alles andere in den Schatten.
Seit ihrem dritten Lebensjahr hat sich Lily zu jedem Geburtstag und jedem Weihnachtsfest einen Schminkkoffer gewünscht – den sie trotz meiner Einwände auch immer von irgendjemandem bekommt und innert Wochen komplett aufbraucht. Immerhin hat sie inzwischen begriffen, dass Mamis Schminksachen absolut tabu sind, nachdem ihr das 20 Franken teure Nagellack-Fläschchen auf dem Küchenboden zersplittert ist.
Doch warum sie sich jetzt, so im dritten Kindergartenjahr, nicht auch ein bisschen aufdonnern darf mit etwas hellblauem Kinder-Lidschatten, das will ihr partout nicht einleuchten. Dabei habe ich die Regel ganz klar deklariert: Wer dreizehn Jahre alt ist, darf sich täglich schminken. Warum dreizehn, fragen Sie vielleicht (neben der Frage, warum sich denn die Hidber-Mädchen überhaupt so intensiv mit dem Thema «Schminke» beschäftigen, anstatt draussen mit dem Velo zu fahren oder tolle Wanderstöcke mit dem Sackmesser zu schnitzen)? Weil «Dreizehn» sich so anhört, als würden Jahrzehnte vergehen, bis es so weit ist. Dabei sind das drei kurze Jahre, bis Mia zur Wimperntusche greifen darf. NOCH EINTAUSEND TAGE! Dann wird geschminkt, bald darauf in Discos getanzt, mit den falschen Jungs herumgezogen, geraucht und … Mein Gott, ich muss mich kurz hinlegen, das ist mir alles zu viel! Dass Lily, mein sechsjähriger Lipgloss-Junkie, immerhin noch fast sieben Jahre warten muss bis zum Erreichen dieser willkürlich angelegten magischen Make-up-Marke, mit der in meiner Vorstellung die Pubertät offiziell gestartet wird, macht mich ein kleines bisschen froh. Bis dahin wische ich weiterhin den unerlaubt aufgetragenen Glitter-Lipgloss ab, bevor Mia und Lily Richtung Schule marschieren. Sie sind doch bloss Kinder! Aber Mädchen mit einem Faible für Schminksachen, das sind wir alle drei …