Die Zahl der Frühgeborenen ging während des weltweiten Lockdowns im Frühling 2020 drastisch zurück. Was sind die Gründe dafür und was kann man daraus lernen?
Ärzte in Irland, Dänemark und den USA beugten sich erstaunt über ihre Frühgeburtszahlen: Diese waren während des weltweiten Herunterfahrens des öffentlichen Lebens im Frühling 2020 stark zurückgegangen.
Einer der Mediziner, dem der Unterschied auffiel, ist Professor Dr. Michael Christiansen. Er arbeitet am Kopenhagener «Statens Serum Institut». In der dortigen «Biobank» werden alle Neugeborenen innerhalb von vier Tagen nach ihrer Geburt registriert. Christiansens Team fand heraus, dass während der Zwangspause die Rate der vor der 28. Woche geborenen Babys um 90 Prozent (!) sank. So lag die Frühchenrate pro 1000 Lebendgeburten von 2001 bis 2019 im Durchschnitt bei 2,19. Im Coronajahr sank sie auf 0,19 ab.
In der Schweiz werden jährlich rund 350 Babys extrem früh, also zwischen der 22. und der 27. Schwangerschaftswoche geboren. Jene Kinder leiden unter einem sehr hohen Risiko, schwer behindert zu sein oder zu sterben.
Ruhe und weniger Infektionen
Nun spekulieren Forscherinnen und Forscher weltweit über mögliche Faktoren für den massiven Rückgang der Frühgeborenenzahl. Ein möglicher Grund: Ruhe. Werdende Mütter schliefen mehr und erfuhren mehr Unterstützung durch ihre Familien.
Auch Infektionen blieben wegen des entfallenen Wegs zur Arbeit aus. Bekannt ist etwa, dass Grippeviren die Wahrscheinlichkeit einer Frühgeburt erhöhen. Selbst der Individualverkehr spielt wohl eine Rolle, da die Luftverschmutzung während der weltweiten Pandemie zurückging.
Könnte also eine zusätzliche längere Pause vor dem Geburtstermin angehende Mütter vor Frühgeburten schützen? «Möglicherweise haben wir uns bislang viel zu wenig auf die sozialen und psychologischen Faktoren der Schwangerschaft konzentriert», sagt Michael Christiansen.