
Esther Michel
Burnout
«Einfach ein guter Vater sein»
Er tut alles, um seine drei kleinen Söhne und seine Frau glücklich zu machen. Dabei vergisst Adrian sich selbst, bis er buchstäblich nicht mehr atmen kann.
Esther Michel
Burnout
Von Caren Battaglia
Er tut alles, um seine drei kleinen Söhne und seine Frau glücklich zu machen. Dabei vergisst Adrian sich selbst, bis er buchstäblich nicht mehr atmen kann.
« An diesen 24. August, einen Donnerstag, erinnere ich mich genau. Es war ein heisser Tag. Nach der Arbeit – ich bin Lastwagenchauffeur – hetzte ich nach Hause. Wir haben drei Söhne: sechs, vier und zwei, meine Frau studiert und arbeitet nebenher – da bleibt abends noch eine Menge zu erledigen. Überhaupt war diese Woche stressig gewesen. Der Grosse war in die Schule gekommen, der Mittlere in den Chindsgi. Das sind emotional anstrengende Tage. Jedenfalls habe ich in der Nacht angefangen zu hyperventilieren. Es hörte nicht auf. Ein fürchterliches Gefühl. Anschliessend habe ich drei Tage durchgeschlafen. Es ging gar nichts mehr.
Schlechter Ehemann?
Montags sind wir zur Hausärztin, die mich an eine Psychologin überwies. Befund: totaler Burnout. Ich wurde in die Psychiatrie in Königsfelden eingewiesen. In dem Moment dachte ich nur: Tja, Adrian, nun bist du vollkommen gescheitert: ein schlechter Ehemann, ein schlechter Vater. Genau das, was ich immer hatte vermeiden wollen. Denn seit die Kinder auf der Welt sind, war mein wichtigstes Ziel: ein guter Vater sein.
Ich kann es kaum ertragen, meine drei Kinder unglücklich zu sehen. Das führt dazu, dass ich nach der Gutenachtgeschichte noch bis 22 Uhr an ihren Bettchen bleibe, weil sie quengeln. Erst danach bringe ich dann die Küche in Ordnung. Ich will alle Probleme für meine Söhne lösen. Auch für meine Frau. Obwohl sie das nicht von mir erwartet. Sie hat schon oft zu mir gesagt: «Mach doch mal was für dich.» Aber ich konnte und wollte nicht. Jede freie Minute habe ich mich mit der Familie beschäftigt. Dadurch ist eine Abwärtsspirale entstanden. Ich hatte keine Luft zum Atmen mehr und wurde zunehmend dünnhäutiger. Manchmal fing mein ältester Sohn dann an zu schreien und ich wiederum schrie ihn dafür an. Schlimm.
Ich habe Angst
Ich will, dass alle glücklich sind. Ich bringe zum Beispiel meiner Frau Frühstück ans Bett, um ihr eine Freude zu machen. Ihr wäre es allerdings lieber, ich liesse solchen Aufwand und wäre stattdessen besser gelaunt. Ich habe Angst, dass sie mich verlässt, wenn ich nicht alles richtig mache und dann die Kinder mitnimmt. Meine Eltern waren getrennt. Für meine eigenen Kinder wollte ich eine perfekte Kindheit. Aber je mehr ich mich bemühte, desto ineffizienter und langsamer wurde ich. Und je langsamer ich wurde, desto mehr hängte ich mich rein. Mein Job war schon immer mein Traumjob, hat mich nie gestresst und seit die Kinder da sind, habe ich das Pensum auf 80 Prozent reduziert. Auch meine Kollegen sind prima und verständnisvoll. Denn viele Väter kennen das Gefühl, alles richtig machen zu wollen. Die Familie ernähren. Trotzdem ein super Papi und Partner sein. Doch das ist zu viel. Früher reichte es, wenn der Mann das Geld nach Hause brachte. Um den Rest kümmerte sich die Frau. Das will ich gar nicht. Doch alles zusammen haut auch nicht hin.
Ich wollte nie ein Wochenend-Papi, sondern möglichst viel bei meiner Familie sein. Aber paradoxerweise erzeugt zu viel Nähe Distanz. Und die Probleme anderer lösen zu wollen, bringt wieder neue Probleme mit sich. Jetzt lerne ich mithilfe der Therapie, auch mal auf mich zu achten. Etwa nur für mich Velofahren. Wir haben den Jungs offen kommuniziert: «Der Papi ist krank, der braucht eine Stunde für sich.» Erstaunlicherweise verstehen sie das. Und wenn sie deshalb mal maulen, dann ist das ihr Problem, nicht meins. Das ist ein gutes Gefühl. Ein gutes Gefühl ist ein Anfang.»