Aus dem Vaterland
«Papa auf dem Damenklo»

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Mein Problem mag auf den ersten Blick gering erscheinen, aber bislang konnte mir keine Erziehungsfibel, kein Papi-Ratgeber Hilfe leisten. Es ist so: Mina, meine 3-jährige Tochter, muss wie alle Menschenkinder mitunter auswärts aufs Klo – selbstverständlich immer sehr dringend, natürlich nie allein, sondern stets in Begleitung.
Bekanntlich haben sich die Erwachsenen darauf geeinigt, dass Frauen die Damentoiletten aufsuchen, wohingegen Männer die Herrenklos benützen. Dass sich die Menschheit grossmehrheitlich an diese Regel hält, ist gut so – bloss: Was macht ein Vater, der seine Tochter aufs WC begleiten muss? Welchen Weg hat er zu gehen? Durch die Tür des ihm als Mann nicht geheuren Frauenörtchens? Oder durch die des Herrenklos, das man eigentlich keiner Frau, schon gar nicht der eigenen Tochter empfehlen will?
Die Sache ist vertrackt. Überwinde ich meine Hemmungen und marschiere mit Mina entschlossen in Richtung Damen-Klosett, wo zwar sie hingehört, ich aber eigentlich nicht hinein darf, so öffnet sich garantiert in diesem Augenblick die Tür, nur damit mich ein Frauenaugenpaar anstarrt, entgeistert und empört zugleich. Aus unerfindlichen Gründen erblicken diese Frauenaugen stets mich zuerst, dann erst meine Tochter, sodass ich mich immer wieder dieser weiblichen Empörung auszusetzen habe, die meint, Opfer eines WC-Voyeurs geworden zu sein. Selbst wenn dieses Missverständnis nur Sekunden dauert – bis Mina durch die Türe tritt – fühle ich mich nachher immer schlecht. Und das Schlimmste ist noch gar nicht vorbei.
Damentoiletten leiden an grässlicher Überbevölkerung, die Damen stauen sich geradezu vor den WC-Kabinen. So stehe ich dann dumm da, warte und warte, blicke zur Decke und halte mich an der Hand meiner Tochter fest, da sie allein meine Anwesenheit auf diesem zutiefst weiblichen Territorium legitimiert. Meine Mina ist ein aufgewecktes Kind; sie erfasst schnell eine Situation, zumal eine peinliche. Doch wenn sie dann drauflos plappert, «Gäll, Papa, Manne händ es Schnäbeli und Fraue es Müscheli», so fühle ich mich nicht unbedingt besser, und all die Frauen glotzen nicht mehr nur mich sonderbar an, sondern jetzt auch mein geliebtes Kind. Dabei waren diese Frauen auch mal Mädchen, die haben doch auch Väter.
Es ist die Hölle. Und spätestens wenn Mina, auf dem Toilettenring thronend, unvermittelt feststellt, dass es doch nicht so dringend war mit dem Bisi, dass überhaupt kein Bisi kommt, auch nicht kommen wird, dann wünsche ich, dass so etwas wie öffentliche Toiletten nie erfunden worden wäre.
Ja, auch das Herrenklo nicht. Denn nötige ich aus lauter Verzweiflung beim nächsten Mal meine Tochter zum Gang auf die Herrentoilette, dann sehe ich in jedem Mann, dem wir dort begegnen, einen Pädophilen. Und angesichts der Klo-Kritzeleien danke ich, der Atheist, dem lieben Gott dafür, dass Mina noch nicht lesen kann. Dafür guckt sie allerdings immer genau hin: Auf Männertoiletten bleibt ihr Auge geradezu zwanghaft am Pissoir hängen, das sie immer wieder von Neuem lange anstaunt. Ich weiss dann genau, was als Nächstes kommt. Mina sagt: «Gäll, Papa, Manne händ es Schnäbeli und Fraue es Müscheli.»
Nun gut, das lässt sich nicht bestreiten. Haben wir schliesslich eine Klo-Schüssel erreicht, beweist mir meine Tochter, dass sie einen weiteren kleinen Unterschied zwischen Mann und Frau bereits begriffen hat, einen hygienischen: «Uh!, Papa, so dräckig, das Manne-WC! Da sitz ich nid druf!»
Dann gibt es nur noch eine Lösung: den Gang aufs Frauen-WC. Verstehen Sie mich jetzt, liebe «wir eltern»-Leserinnen?