
Nele Martensen
Lust & Frust
Er steht, also bin ich
Was die Erektion mit dem männlichen Selbstwertgefühl zu tun hat, weshalb häufig auch junge Männer damit ein Problem haben – und warum der Beckenboden einen eigenen Trainingstempel verdient hätte. Unserer Sex-Expertin weiss es.
Kann sich eine Frau jemals vorstellen, wie es für einen Mann ist, einen gewissen Anhang im Genitalbereich zu haben, welcher so eigensinnig und nicht immer im Sinne des Besitzers unterwegs ist? Schwerlich. Denn erst als mein Schweizer Ausbilder, Peter Gehrig, im Seminar folgenden Satz brachte, dämmerte es mir: «Er steht, also bin ich!» Kaum eine Frau ist mit ihrem Genital so verbunden, dass grosse Teile ihres Selbstwertes mit den Schwellkörpern wörtlich stehen und fallen. Wenn sie auch grosse Geschlechtsorgane besitzt, die bei Erregung zur doppelten Grösse anwachsen – lernt sie nämlich von klein an, ihr Genital mit Nichtbeachtung oder höchstens mit unangenehmen Gerüchen und Ekelgefühlen zu verbinden.
Im Fluchtmodus steht keiner steil
Ohnehin verstecken sich ihre Kronjuwelen zum grossen Teil im Inneren, das Gemächt des Mannes dagegen lässt seine Erregung, wie bei einem Barometer, direkt ablesen. Nun zum Stehvermögen: Eine freche dänische Weisheit lautet: «Für den jungen Mann ist es ein Problem, wenn er das erste Mal nur zweimal kann. Für den mittelalten Herrn, wenn er das zweite Mal nicht einmal kann.» Männer kommen mit Erektionsproblemen in meine Praxis – nicht nur ältere, sondern tatsächlich zunehmend jüngere. Gemeinsam ist ihnen, dass ihr Penis nicht die Festigkeit aufweist, die erwünscht ist, dass also zu wenig Blut zu kurze Zeit in den Schwellkörpern weilt. Und schon gibt es eine Schlappe. Wer bemerkt, wie sein peniles Stehvermögen unangenehmen Schwankungen unterliegt, schaut automatisch bei der nächsten Erektion kritisch auf den Stand. Dadurch beginnt häufig ein Teufelskreis und immer grössere «Not» entsteht, das Nervensystem geht in den Flucht- und Angriffsmodus. Eine Erektion ist dann nicht vorgesehen. Wie meine wortgewandte Assistentin sagte, als ich ihr die Zusammenhänge Mal erklärte: «Ach, weil es sich so schlecht mit dem Ständer über die Steppe rennt!» Genau.
Ran an den Beckenboden ihr Männer
Anders erklärt: Die Anspannung drückt die Blutversorgung ab, es ist wie bei einem abgeknickten Gartenschlauch. Bei Älteren sind die Gefässe zusätzlich verkalkt und weniger flexibel. Was also tun, wenn jemand dieses Problem hat? Die kurze Antwort ist: Wenn Männer ihre Beckenböden kennen würden und wüssten, was Anspannung mit der Durchblutung macht, – bei Problemen wird notgedrungen zu irgendeinem Grad angespannt – wären überall Trainingstempel für Beckenböden. Beckenbodenmuskeln sind Potenzmuskel. Eine mir bekannte Physiotherapeutin sagte mal, dass dieser Muskelbereich fast noch wichtiger für Männer sei als für Frauen.
Porno-Techniken bringen nichts
Wer hätte das gedacht? Klar ist nun, dass Männer, die über die Funktionsweise ihres Gliedes und den Beckenboden Bescheid wissen, durch flexible Muskelspannung, tiefere Atmung und Bewegung im Becken die Durchblutung erheblich verbessern können. Potenzmittel alleine reichen nämlich häufig nicht aus. Warum jüngere Männer das Problem haben? Viele legen sich bei der Masturbation zum Bildschirmporno ungute, angespannte Techniken zu. Glück im Unglück: Weil die körperlichen Zusammenhänge den Männern so unbekannt sind, gibt es viel unentdecktes Potenzial in der Handhabe!