Vaterzeit
Dom Perignon an der Babyparty
Niemals hätte unser Kolumnist Christian gedacht, dass Partys mit Babys so grossartig sein können. Mal abgesehen davon, dass sie doch recht früh und meist mit Drama enden.
Ich möchte keinen Werbespot für ein kinderloses Leben machen – im Gegenteil. Aber wer mit 52 zum ersten Mal Vater wird, der hat auch vorher einiges erlebt. Vor Corona besuchte ich 125 Opern- und Konzertabende pro Jahr, mindestens ein Restaurant pro Woche und hatte dauernd Gäste. Dann kam Luule – und die Gäste ihretwegen. Der Götti aus Rom wollte beim Antrittsbesuch nicht im Hotel schlafen, sondern belegte das zukünftige Kinderzimmer. Luules Grosseltern taten es ihm kurze Zeit später gleich. Die Abende waren ausgelassen, die Nächte hart, von den Morgen danach wollen wir erst gar nicht sprechen. Dann wurde Luule grösser, der Alltag kam und ich lernte eine neue Art Party kennen: die Babyparty. Nie hätte ich mir das vorstellen können, war die Devise bei den grossen Essen früher doch klar: «Keine Kinder». Und jetzt merke ich: Partys mit Babys sind grossartig, also meistens. Kommt ein anderes Paar mit einem oder zwei Kindern, vielleicht gar zwei Paare und ein kinderloser Freund noch dazu, entstehen so ausgelassene Partys, wie ich sie mir nie ausgedacht hätte. Alles geht am Limit. Alles wird verziehen. Alles wird auch einfach geschluckt. Und das meine ich wörtlich.
Das geht nicht!
Das Essen muss gut, der Wein hervorragend sein, auch wenn niemand Zeit hat, näher darauf einzugehen oder es überhaupt zu geniessen. Primär gilt für alle, dass es endlich wieder mal genügend davon gibt und alles etwas festlich wirkt.
Schauen zwei Väter oder zwei Mütter zu allen vier Babys, will die Minute von den anderen genutzt werden, das Glas geleert und ein grosses Wort gesprochen sein. Schiesst eines der Babys das erste Weinglas mit einem Tennisball ab, ist das ein Grund zum Aufhorchen, aber nicht zum Ärgern. Schwamm drüber.
Die Partys beginnen früh, dauern trotzdem etwas länger, als für die Babys klug wäre, die Dramen beim Heimgehen sind das akustische Schlussfurioso. Falls Luule schnell einschläft, gibt’s ein letztes Glas im Wohnzimmer, die übrig gebliebenen Häppchen sind sehr willkommen.
Ein Freund von uns ist ein Musiker, mit dem wir früher jeweils zu einem gemeinsamen Bekannten fuhren, der privat so grandios kocht wie niemand sonst. Sein Ziel ist es, vier Gästen berühmte Gerichte von legendären Dreisterneköchen aufzutischen. Dafür arbeitet er jeweils mehrere Tage.
Vier Gäste sind es, da er fünf perfekte Tellersets hat. Als der eine Musiker und ich mit einem Gast eingeladen waren, waren unsere zwei Frauen zu Recht enttäuscht, dass sie nicht dabei sein konnten. Als dann ein Gast absagte, schlugen wir dem Gastgeber vor, mit Frau und Kindern zu kommen, er könne dann ja etwas Einfaches kochen. Er schüttelte den Kopf und schrieb klar und deutlich: «Das geht nicht!» Und doch sassen wir am Abend alle in seiner kleinen Wohnung. So viel Freude, Chaos und Grosszügigkeit hat noch selten an einem Tisch zusammengefunden. Die Kinder probierten da wie dort, durchaus auch die Miesmuschelbällchen mit Kräuter-Trüffel-Mayonnaise, und hatten einen Höllenspass, bis sich dann für die einendie Einschlafspazierfahrt, für Luule die Sofa-Ecke näherte. Zu Hause liess sich Luule netterweise problemlos das Pischi anziehen und schlief bis 7 Uhr durch – oder wenigstens liess ich mich nicht stören. Zwanzig Minuten später wunderte ich mich, dass sie das mit meinen sehr bescheidenen Mitteln zubereitete Rührei nicht in die Ecke schoss und stattdessen die gebratene Entenleber mit Spargelmousse verlangte.