Auszeiten
Raum schaffen für Kreativität
Dana Grigorcea ist eine der erfolgreichsten zeitgenössischen Schriftstellerinnen der Schweiz. Wie schafft sie es, sich Zeit und Raum fürs Schreiben zu nehmen und dabei ständig zwischen Fürsorge und Fiktion zu wechseln?
Nach jedem Buch denke ich: Das wars ! Ich werde nie wieder so tief atmen können. Nie wieder diese grossen, kühnen Welten bauen, nie wieder in grossen Zusammenhängen denken. Denn meine Arbeit als Schriftstellerin sieht nicht nach Arbeit aus. Schreiben geht letztendlich überall, wo es gerade passt. Am Wohnzimmertisch, im Kaffeehaus. Und doch geht dem eine immense Denkarbeit voraus, die einen inneren Raum verlangt. Es sieht nach Faulenzen aus, nach Untätigkeit, ich sitze nachdenklich da. Also kann ich genauso gut die Wäsche sortieren, mich mit dem Pöstler unterhalten, einkaufen gehen. Ja, manchmal habe ich das Gefühl, ich bin öfter im Supermarkt als die Verkäufer selbst. Mittags koche ich für meinen jüngeren Sohn. Er ist ein Feinschmecker, er möchte heimkommen. Ich bin immer da.
Anwesend und doch abwesend
Aber gleichzeitig beschweren sich die Kinder, dass ich manchmal woanders bin in Gedanken. Anwesend sein und doch abwesend, das kann für Kinder irritierend sein. Von aussen sieht mein Alltag sehr gediegen aus, wir haben uns einen bürgerlichen Anstrich gegeben.
Jede Zeitlücke nutzen, um kreativ zu sein
Da ist immer dieses Gefühl: Wenn ich nur effizient genug bin. Wenn ich nur alle freistehenden Räume, und seien sie noch so klein, besetze, alle Lücken nutze, um kreativ zu sein, dann muss es doch gehen. Ich bin doch eine Künstlerin, wieso nicht auch Lebenskünstlerin? In meinem neuen Roman wage ich mich zum ersten Mal an das Thema der Künstlerin mit Kind. Eine Schriftstellerin reist, dank eines Stipendiums, mit ihrem achtjährigen Sohn und einem Kindermädchen nach Ligurien, um endlich ihren Roman fertigzustellen. In ihrem Roman geht es um einen ungebundenen Künstler. Er verkörpert alles, was sie selbst nicht auslebt.
Ich habe mich zum ersten Mal an dieses Mutter-Kind-Thema gewagt. Dass man aus der eigenen Biografie schöpft für die Kunst, ist ja die Regel, ob man es deklariert oder nicht. Denn auch die Fantasie ist autobiografisch. Aber was ist, wenn man aus der Biografie der eigenen Kinder schöpft? Max Frisch oder Thomas Mann hat diese Frage nicht ständig beschäftigt. Und doch will ich mich als Mutter nie ganz freimachen von auch dieser Art von Verantwortung. Das schildert mein Vogel-Imago im Buch: Manche Vögel sind klein und leicht, andere haben mehr Gewicht und müssen mehr stampfen, bis sie sich erheben können in die Lüfte.