Zucker
Zucker: 12 Fragen und Antworten
Süsses schmeckt – und ist schädlich. Warum eigentlich? Und: Wie strikt sollte man als Eltern sein? Zwölf Fragen und Antworten rund um Zucker.
Kinder und Erwachsene essen zu viel Zucker. Denn er steckt nicht nur in Kuchen und Glace, sondern auch in Ketchup, Müesliriegeln, Pizza und sogar vielen vermeintlich gesunden Produkten. Wer sich und seine Kinder ausgewogen und gesund ernähren will, muss deshalb aufpassen wie ein Schiesshund. Zuckerwissen in zwölf Schritten.
1. Was ist Zucker?
Wenn wir von «Zucker» sprechen, ist meist weisser oder brauner Kristallzucker gemeint. Wissenschaftler sagen dazu Saccharose. Gewonnen wird er aus Zuckerrohr oder -rüben und anschliessend raffiniert, also industriell verarbeitet.
Es gibt aber auch Zuckerarten, die ein natürlicher Bestandteil von Lebensmitteln sind. Fructose beispielsweise ist eine Zuckerart, die in Obst vorkommt. Und Lactose ist der in Milch und Milchprodukten enthaltene Zucker. Ernährungswissenschaftlich gehören alle Zuckerarten zu den Kohlenhydraten. Die benötigt der Körper, um Energie zu gewinnen, ebenso wie Eiweiss und Fette.
2. Wenn ich Zucker reduzieren will, kann ich dem Kind dann einfach weniger Kohlenhydrate zu essen geben?
Nein, es gibt keinen Grund, Kohlenhydrate zu verteufeln. Im Gegenteil: Da sich Babys und Kinder im Wachstum befinden, sind Kohlenhydrate wichtig, gerade auch für die Hirnentwicklung. Komplexe Kohlenhydrate wie sie in Obst, Gemüse und Vollkornprodukten vorkommen, sind sogar sehr gesund.
Der Körper muss diese Ketten bei der Verdauung erst mal mühevoll aufspalten, dadurch machen solche Nahrungsmittel lange satt. Ausserdem gehen komplexe Kohlenhydrate nur langsam ins Blut über und treiben den Blutzuckerspiegel nicht so stark in die Höhe.
Problematisch sind die einfachen, schnellen Kohlenhydrate, die zum Beispiel in Gummibärchen, Keksen, Schokolade und Softdrinks enthalten sind. Sie lassen den Blutzucker in die Höhe schnellen und lösen ständig neue Hungergefühle aus.
3. Warum ist Zucker überhaupt ungesund?
Das Schlimme am Zucker sind weniger die Kalorien – 100 Gramm enthalten 400 kcal –, sondern ist die Wirkung, die er im Blut hat: Langfristig kann Zucker Zähne und Organe schädigen, dick machen und lässt uns zu Diabetikern werden. Und wer schon als Kind Übergewicht hat, läuft später verstärkt Gefahr, an Zivilisationskrankheiten wie Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Leiden zu erkranken.
4. Wie erkennt man versteckten Zucker in Lebensmitteln?
Manchmal braucht man dazu wirklich eine Lupe. Denn Zucker ist ein billiger Geschmacksträger, der Lebensmittel lange haltbar macht. Viele Hersteller schmuggeln ihn deshalb gerne unter ihre Produkte, etwa unter folgenden Namen: Dextrose, Glukosesirup, Gerstenmalzextrakt, Malzextrakt, Maltodextrin.
Drehen Sie beim Kauf konsequent die Verpackung um und achten Sie in der Tabelle unter den Kohlenhydraten auf den Wert für «davon Zucker». Vergleichen Sie den Zuckerwert einfach mal mit dem Produkt der Konkurrenz, meist fällt die Kaufentscheidung dann leicht. Besonders häufig finden sich versteckte Zucker in Wurst, Kakaopulver, Müesli, löslichem Tee, Obstkonserven, Salatdressing und Fertig-Dips.
5. Sollte ich auf Kinderlebensmittel ausweichen? Die sind doch bestimmt zuckerreduziert.
Sollte man meinen, ist aber nicht so. Kinderlebensmittel bieten keine Vorteile. Dafür sind sie teurer – und oft ungesund. Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch hat mehr als 280 speziell für Kinder beworbene Lebensmittel untersucht. Ergebnis: 90 Prozent davon entsprachen nicht den Anforderungen der Weltgesundheitsorganisation WHO zu einer ausgewogenen Kinderernährung.
Laut dem Max Rubner-Institut enthalten zum Beispiel Frühstücksflocken für Kinder fast doppelt so viel Zucker wie die Produkte für Erwachsene. Trotzdem werben die Hersteller gerne mit gesunden Versprechen auf ihren Verpackungen.
6. Sind Obstsäfte eine gesunde Alternative zu Cola und Co.?
Fruchtsäfte sollten wegen ihres hohen Fruchtzuckergehalts immer verdünnt werden. Manche Hersteller pumpen in ihre Säfte und Nektare noch zusätzlich Süsse – was den Zuckergehalt auf bis zu 20 Gramm pro 100 Milliliter steigern kann.
Besser ist es, das Kind trinkt ein Glas Wasser und isst dazu ein Stück Obst. Denn der Zucker aus dem Fruchtfleisch wird im Körper langsamer aufgenommen; das hält den Blutzuckerspiegel stabil und macht länger satt.
7. Wäre eine komplett zuckerfreie Ernährung nicht das beste?
«Ein komplettes Verbot von Zucker ist oft kontraproduktiv», sagt Ute Alexy, die an der Uni Bonn seit vielen Jahren die Essgewohnheiten von Kindern erforscht. Zum einen kann es das Verlangen danach noch steigern, zum anderen das Kind zum Aussenseiter machen – etwa wenn es auf dem Kindergeburtstag als einziges keine Glace essen darf. «Besser ist ein bewusster Umgang mit Zucker: Süsses sollte etwas Besonderes sein, eine Ausnahme», sagt Alexy.
Feste Regeln helfen, damit Kinder einen bewussten Umgang mit Süssem lernen – etwa, dass der Vormittag generell zuckerfrei bleibt und dass nicht vor dem Essen genascht wird. Schokolade und Bonbons sollten nicht jederzeit zugänglich sein – das verführt zum gedankenlosen Naschen. Die «Stiftung Kindergesundheit» rät, Süssigkeiten nicht als Belohnung, Trost oder Druckmittel einzusetzen. So bleiben sie ein Genussmittel und werden nicht noch zusätzlich mit Gefühlen aufgeladen.
8. Wie viel Zucker ist gesund?
Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt, maximal zehn Prozent der täglichen Energiezufuhr in Form von freiem Zucker zu sich zu nehmen. Bei Kindern zwischen 4 und 14 Jahren sind das höchstens 125 bis 240 Kalorien pro Tag, beziehungsweise 30 bis 50 Gramm freie Zucker.
Und diese Menge umfasst den Zucker im Müesli und in der Marmelade, ebenso wie den im Orangensaft, im Bonbon und im Ketchup. «Die Höchstmenge wird schnell erreicht, gerade bei Kindern, die sich wenig bewegen und einen niedrigen Energiebedarf haben», sagt Ernährungswissenschaftlerin Ute Alexy.
Zehn Gramm freie Zucker sind beispielsweise enthalten in einem halben Glas Saft oder Limonade oder einem Becher Fruchtjoghurt.
9. Gibt es gesunde Alternativen zum Zucker?
Nicht wirklich. Oft empfehlen Experten Honig als Alternative zum weissen Haushaltszucker. Doch der besteht zu etwa 80 Prozent aus Frucht- und Traubenzucker, seine Energiedichte ist mit 320 Kilokalorien je 100 Gramm fast so hoch wie die von Zucker. Weil Honig eine höhere Süsskraft hat, braucht man etwas weniger davon, um den gleichen Effekt zu erzielen. Ähnliches gilt auch für Agavendicksaft.
Doch «gesund» sind diese alternativen Süssmittel nicht. «Auch sie gehören zu freien Zuckern und jeder Löffel davon fliesst in die empfohlene Tageshöchstmenge mit ein», sagt Alexy.
10. Wie gelingt es, die Menge an Zucker im Essen generell zu reduzieren?
Indem Sie möglichst häufig mit frischen Zutaten kochen und backen. So haben Sie es selbst in der Hand, wie viel Zucker im Essen Ihrer Kinder drin ist. Bei Kuchen zum Beispiel, lässt sich die angegebene Menge Zucker locker um ein Drittel oder sogar zur Hälfte reduzieren, ohne dass es geschmacklich auffällt.
Getränke können Sie statt mit Saft und Sirup auch mit Minzblättern, Gurken- und Zitronenscheiben oder im Sommer mit frischen Beeren aromatisieren. Naturjoghurt oder Quark lässt sich mit frischen saisonalen Früchten, Zimt oder selbst gemachtem Apfelmus aufpeppen.
Beginnen Sie möglichst früh mit einer gesunden Ernährung, dann gewöhnen sich die Kinder erst gar nicht an die Zuckerbomben und nehmen den Eigengeschmack der Lebensmittel besser wahr.
11. Was kann man tun, damit Kinder weniger nach Zucker gieren?
Bieten Sie als Snack zum Beispiel geschnittenes Obst, Trockenfrüchte, eine selbst gemachte Müeslimischung oder – für Kinder ab drei Jahren – auch Nüsse an. Weil sie je nach Sorte zwischen 45 und 73 Prozent Fett enthalten, waren Nüsse lange als Dickmacher verschrien. Heute weiss man aber, dass der grösste Anteil der Fettsäuren in den Nüssen ungesättigt und deshalb gesund ist. Ausserdem sind Nüsse reich an Eiweiss, Vitaminen, Mineralien und Ballaststoffen – und sie sättigen so gut, dass Kinder (und Erwachsene) weniger Appetit auf andere, ungesunde Snacks haben.
12. Ganz konkret: Wie viel Süssigkeiten darf ich meinen Kindern pro Tag bedenkenlos geben?
Die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung SGE empfiehlt, dass Kinder bis zehn Jahre täglich maximal eine kleine Kugel Glace, drei Petit Beurre oder eine Reihe Schokolade essen sollten. Oder! Nicht und.
Das Schreiben hat Stéphanie Souron an der Hamburger Henri-Nannen-Journalistenschule gelernt. Bei der Erziehung ihrer kleinen Tochter benötigt sie allerdings täglich Improvisationstalent: Das Mädchen hat Energie für Drei und liebt es, überallhin «schnell» laufen. Am liebsten ist unsere Autorin mit ihr und ihrem Mann draussen in der Natur unterwegs.