
Paolo De Caro
Selbstversuch
Yoga für mehr Ruhe
Von Rachele De Caro
Es ist so weit. Unsere Autorin macht Yoga, und zwar mit ihren Kindern. Wie es dazu kam und ob das Ganze hält, was sie sich davon versprochen hat.
Meine Mutter meinte ja schon lange, ich solle mit Yoga anfangen, mir mehr Zeit für mich nehmen, gut durchatmen und Pausen machen. Sie hat mir mal ein altes Yogabuch geschenkt und bringt mir ab und zu einen Ausschnitt aus einem Magazin mit, mit der Bitte, ich solle mir das doch anschauen. Aber das mit dem Durchatmen, Yoga machen und sich Zeit nehmen ist so eine Sache mit drei kleinen Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren.
Aber fangen wir von vorne an. Vor gut drei Wochen nahm diese Geschichte ihren Lauf. Die beiden älteren Jungs (sieben und fünf Jahre alt) halten uns Eltern und somit auch unsere Nachbarn im Geschoss unter uns seit jeher früh morgendlich mit ihrem Gestreite und Geschrei auf Trab. Dieses Gestreite kommt bei uns in Phasen und bringt mich immer mal wieder an den Anschlag. Denn eigentlich bin ich kein Morgenmensch. Ich brauche meinen Schlaf. Der ist tief und fest und darum bin ich jeweils auch die Letzte, die mit dem Klingeln des Weckers um 6.30 Uhr aufsteht. Mein Mann und die drei Kinder sind dann alle schon wach und munter. Letztere entweder am Spielen oder eben am Streiten. Nach dem Frühstück gehts erst richtig los. Das mit dem leisen Spielen funktioniert bei uns irgendwie nicht. Unsere Ermahnungen, sie sollen bitte leiser sein, nicht schreien und wie Esel in der Wohnung herumtrampeln, enden meistens, da ungehört, in zornigen morgendlichen Wutausbrüchen meinerseits.
Das Fernsehverbot hat zwar hinsichtlich dieses Problems wenig bis gar nichts gebracht, dafür erfährt ihre Spielfantasie gerade ein Revival. Auch der Versuch, die Jungs nach dem Morgenessen in ihr Zimmer zu schicken, um dort etwas für sich zu machen, funktioniert nur mässig. Was also können wir unternehmen, damit unsere Morgen entspannter werden? Wie können wir die Energie der beiden Jungs in den frühen Morgenstunden bändigen? Beim Überlegen fiel es mir jüngst wie Groschen von den Augen: Yoga! Für mich selbst ohnehin sinnvoll, wäre es auch für die Kinder eine Möglichkeit, ihre körperliche Energie zu bündeln. So weit die Theorie. Nun zur Praxis.
Mit ein paar wenigen Grundkenntnissen, einiger Praxiserfahrung im Schwangerschaftsyoga und einer Portion Optimismus gehe ich es an. Zwei Wochen MorgenYoga mit den Kindern.
Auf einen Blick
Wie unterscheidet sich Yoga für Kinder von Yoga für Erwachsene?
Kinder-Yoga ist spielerisch und intuitiv. Es geht dabei erst mal nicht um die korrekte Ausführung der Übungen, sondern um ein Ausprobieren und Vertrautwerden. Die Kleinen lernen die Übungen nicht durch lange Erklärungen, sondern sie sind die Übung selbst – sie probieren aus, machen Geräusche und Laute.
Was bringt Yoga für Kinder?
Yoga ist für Kinder eine fantasievolle Welt. Sie lernen dabei, den Fokus nach innen zu richten. Es fördert die Konzentrationsfähigkeit und stärkt die Muskulatur. Daneben wirkt es beruhigend auf die Atmung und kann so Spannungen abbauen.
Welche Grundkenntnisse braucht es, um mit Kindern Yoga zu Hause zu machen?
Es ist hilfreich, selbst schon einmal Yoga gemacht zu haben, sodass Atemtechnik und Abläufe der Übungen bekannt sind. Mit Yogakarten, Erklärvideos oder einem Buch können passende Übungen gefunden werden. Wichtiger als diese Hilfsmittel sind jedoch das Eingehen auf die Kinder sowie Zeit und Flexibilität.
Tag 1
«Ich mache heute Yoga, wer macht mit?» Nach dieser spontanen und überraschenden Aufforderung sind die beiden Jungs neugierig und wollen mitmachen. Unsere Kleinste (drei Jahre alt) ist skeptisch und begibt sich auf das Sofa, welches fortan als Zuschauertribüne dient. Wir legen zuerst ein paar Decken auf den Boden und setzen uns in den Schneidersitz. Ich erinnere mich, beim Yoga gehts vor allem um die Atmung. Also atmen wir durch die Nase ein und durch den Mund aus, wiederholen das einige Male und halten die Augen geschlossen. Sie machen mit. Danach gehts weiter mit dem Sonnengruss, ein Klassiker. Auch wenn meine Nase verstopft ist, versuche ich, richtig zu atmen und diesen Ablauf auch den Kindern zu erklären. Meinem Rücken tut die Übung gut, das spüre ich jetzt schon und ich glaube, die Jungs fühlen sich in etwa so wie im Turnunterricht, den sie natürlich über alles lieben. Zum Schluss machen wir den Raben. Diese Übung ist körperlich wohl die herausforderndste, aber auch hier oder vielleicht gerade deswegen, sind die beiden ganz bei der Sache.
Fazit: Die Jungs haben angebissen. Die Stimmung ist schon mal viel entspannter, da niemand streitet.


Tag 2
Nach ein paar üblichen Sticheleien am Morgentisch, einem «Gäll Mami, heute sitzt du neben mir?», «Nein, neben mir!»-Streit zwischen den kleinen Geschwistern ist es der ideale Zeitpunkt, um wieder Yoga zu machen. Heute stehen ein paar weitere Übungen auf dem Programm, die ich mir auf dem Weg vom Küchentisch zum Wohnzimmer zusammengestellt habe. Ein Blick ins Yogabuch meiner Mutter und schon gehts los. Die Namen der Yogaübungen sind übrigens absolut kindertauglich. Bär, Boot, Drache oder Einhorn erzeugen schon beim Hören Spannung und begeistern die Kleinen zum Ausprobieren.
Fazit: Die Sticheleien sind schnell vergessen, denn die Kids sind konzentriert und motiviert.

Tag 3
Heute verläuft der Morgen ohne grosse Streitereien ziemlich ruhig. Die beiden Jungs sind vertieft in ein Spiel und ich überlege mir, ob ich einfach allein Yoga machen soll. In diesem Moment kommt der Älteste nach vorne und meint, wir müssten doch noch Yoga machen. Der Mittlere fügt euphorisch hinzu: «Jaaa, Yoga ist das Coolste der Welt.» Irgendwie lustig, das Ganze. Hätte nie gedacht, dass sie so begeistert davon sein würden. Aber umso besser. Heute stehen wieder zwei neue Übungen auf dem Programm. Der Frosch und die kleine Brücke. Die Übungen, die wir schon kennen, hängen wir hinten an. So vergehen jeweils 15 bis 20 Minuten, in denen wir ziemlich konzentriert bei der Sache sind. Ausser bei der Katze – bei dieser Übung kann sich der Mittlere jeweils nicht zurückhalten und schleicht mit gebuckeltem Rücken wie eine etwas in die Jahre gekommene Katze im ganzen Wohnzimmer herum und miaut. Alle müssen lachen. Heute wagt sich auch die Kleinste das erste Mal vom Sofa runter, setzt sich vor uns und macht mit. Und die Grossen haben schon ihre Lieblingsfiguren. Der Älteste macht die Kerze am liebsten, der Mittlere, wen wunderts, die Katze.
Fazit: Jedes Kind ist unterschiedlich. Manche sind sofort für etwas Neues zu haben, andere beobachten zuerst und brauchen etwas länger, bevor sie mitmachen.
Die übrigen Tage
Während der weiteren Tage verfestigt sich unser Ritual. Es kommen immer neue Figuren dazu, einige machen wir jeden Tag, andere nur sporadisch. Am Wochenende legen wir eine Pause ein, denn da dürfen die Kinder am Morgen den Fernseher anmachen und wir Eltern etwas länger schlafen. Aber gleich am Montag geht es routiniert weiter, denn der Versuch bringt tatsächlich die gewünschten Verbesserungen. Es ist bei uns seither ruhiger am Morgen. Und nicht nur das. Die Kinder haben richtig Freude daran entwickelt, was ich tatsächlich nicht in diesem Ausmass erwartet habe. Mich freuts, die Kinder freuts und darum machen wir einfach weiter. Trotzdem kann ich mir vorstellen, dass Yoga frühmorgens nicht für alle Kinder etwas ist. Es gibt ja offenbar auch Kinder, die am Morgen geweckt werden müssen. Aber für Kinder wie den unseren, mit viel Energie, einem kurzen Schlaf und ordentlich Schwung, ist es tatsächlich genau das Richtige und absolut empfehlenswert.