Vaterzeit
Was macht Luule dort eigentlich?
Die Kita-Welt ist unserem Kolumnisten immer noch etwas fremd. Und nicht erwartet hätte er, dass ihn dort längst vergessene Sorgen einholen.
Juan, Natalia, Steffi – langsam habe ich wenigstens diese drei Namen drauf. Aber wie heisst schon wieder diese Kita-Betreuerin, die Luule immer so lieb begrüsst? Und wie noch dieses lustige Kind, dessen Mami gestern Luules Namen ganz genau kannte?
«Stell Dich nicht so an!», sage ich mir dann, «red mit den Leuten, die Kita ist nun unser zweites Zuhause.» Es fällt mir schwer, denn obwohl Luule dort drei lange Tage verbringt, ist mir diese Welt auch nach einem Jahr noch fremd. So schalte ich denn dort eher auf «Guten Morgen»- und «Guten Abend»-Murmeln um, da ich sonst schon wieder Armin (unseren Nachbarn! ) frage, ob er Jean heisse.
Längst vergessene Sorgen holen mich wegen der Krippe wieder ein. Regnet es, muss ich wie damals vor dem Losgehen zur Schule aufwendige Vorkehrungen treffen und Luule alles Mögliche an- und überziehen, dem Kinderwagen auch noch diesen nie sitzenden Plastikschutz, unter dem es bestimmt grässlich ist. Spätestens wenn ich die Haustüre öffne, weist mich Luules Mami darauf hin, dass ich unserem Kind die falsche Jacke angezogen habe.
Stehe ich dann endlich vor der Kita-Türe, weiss ich nie, ob man beim Eintreten läuten soll oder gar läuten muss. Die einen tun es, die anderen nicht. Die anderen, das sind Mamis und Papis aus dem Zürcher Kreis 6 : Wir sprechen italienisch, englisch, hochdeutsch und selten schweizerdeutsch miteinander. Eine nette Atmosphäre, wenn diese eine Mutter bloss nicht meinen würde, ich sei Luules Grossvater und mich deswegen siezt.
Drei lange Tage verbringt Luule also in dieser Kita. Und so frage ich mich denn dauernd, was sie dort den ganzen Tag macht. Schauen die Betreuenden gut zu ihr ? Isst sie genügend? Sind die anderen Kinder lieb? Schläft sie wirklich so gut, wie beim Tagesrapport gesagt wird?
Kampfzone Kita
Um 8.05 Uhr morgens eile ich jeweils hin und gebe Luule ab. Stopp !, habe ich wirklich «abgeben» geschrieben? Als ob Luule ein Paket wäre. Aber eben: Da beginnt dieses ungute Gefühl, dabei geht das «in die Hände der Betreuenden legen» ohne Probleme von sich: Luule lächelt Ana oder Mandy jeden Morgen sehr nett an. Und auf den Fotos, die von der Kita verschickt werden, ist Luule auch immer gut drauf. Doch welche Kita-Leitung würde Fotos eines schreienden Mädchens, das alleine und mit verschmiertem Body hinten in der Ecke sitzt, verschicken ? Als Luule neulich in den Kopf gebissen wurde, hatte ich den Beweis : Die Kita ist eine Kampfzone ! Und musste sogleich über meinen dummen Gedanken lachen. Vor Kurzem wurden an einem Donnerstag im Kita-Garten Getränke serviert. «Christian, willkommen in Deiner neuen Umgebung : kein Negroni in der Widder Bar, sondern Punsch im Kita-Garten! », sagte ich mir und hatte dann doch eine Ausrede, um mit Luule rasch nach Hause zu gehen.
Bezeichnenderweise wurden wir beim ersten Elterngespräch unruhig, da wir dafür bloss 30 Minuten einberechnet hatten. Als wir die Kita nach 50 Minuten Hals über Kopf verliessen, verpasste ich meinen Zug und war schlecht drauf. Aber immerhin wusste ich jetzt, dass ich in Zukunft vor der Kita-Türe stehend nicht läuten muss. Als ich früher von der Schule nach Hause kam und meine Mutter fragte, wie es war, murmelte ich irgendetwas von «gut » und verzog mich. Luule hingegen strahlt mich nach der Kita jeweils an und «plaudert » los. Ich glaube, sie will mir sagen: «Papa, das Chili con Carne war heute super und die Babymassage vom Feinsten, Steffi hat unglaublich lang und geduldig mit mir gespielt, all die anderen Kinder waren sehr nett : Ich freue mich auf morgen ! Und noch etwas, Papa : Armin hat mir gesagt, wie sein Vater heisst: Dada.»