Freizeit
Velotour am Bodensee: Alles so schön flach hier
Nahe an Gewässern, flach und überwiegend autofrei: Die Region Bodensee erweist sich als die perfekt für eine Velotour mit der Familie. Und wenn jemand mal nicht mehr kann, schnappt man sich am nächsten Bahnhof einfach den Zug.
Velo oder Zug ? Beides ! Das war die Prämisse. Denn einerseits wollten wir samt Kind gerne ein paar Kilometer strampeln, uns andererseits aber nicht an unseren physischen und vor allem psychischen Grenzen entlanghangeln. Flach und easy soll das Velofahren entlang des Bodensees ja schon sein. Die Route haben wir schnell zusammen: Von Arbon im Thurgau soll es dem breiten Obersee entlang bis nach Kreuzlingen gehen. Am zweiten Tag dann von Kreuzlingen aus entlang dem Untersee und Rhein nach Schaffhausen, bevor es am dritten Tag wieder nach Hause geht.
1. Tag: Zürich HB – Arbon – Kreuzlingen
Am Zürcher Hauptbahnhof finden wir dank der Anzeige treffsicher den richtigen Zugwagen für Reisende mit Velos. Dass wir im Zug unsere drei Räder an einer tiefgelegenen Aufhängevorrichtung befestigen können, damit hatten wir nicht gerechnet. Während wir früher die Bikes in die Höhe wuchten mussten, schafft es nun sogar Nikola, 8, sein Fahrrad selbst aufzuhängen.
Anders nach dem Umsteigen in den Regionalzug Weinfelden: Hier fehlt jegliche Halterung für Velos. So lassen wir diese etwas planlos im Eingangsbereich stehen und setzen uns ins nächste freie Abteil. Als der Thurbo Ostschweiz seinem Namen alle Ehre macht – der Lokführer tritt beherzt aufs Gaspedal –, fallen unsere Velos krachend zu Boden und verkeilen sich. Bis zum Zielbahnhof Arbon reicht die Zeit knapp, unsere Vehikel wieder zu entwirren und auf Defekte hin zu überprüfen. Alles paletti !
Der Start des Veloweges auf der Rhein-Route von Veloland Schweiz (siehe auch SchweizMobil) liegt direkt neben dem Bahnhof Arbon. Dank guter Ausschilderung ist Velofahren in der Schweiz auch für Anfängerfamilien ein Kinderspiel. Und die für heute geplante, 28 Kilometer lange Strecke zudem flach und erholsam, selbst für Unsportliche.
Zur Linken liegen Sonnenblumen- und Maisfelder, gepflügte Äcker, geschnittene Kornfelder und Obstbaumplantagen, zur Rechten die Weite des Bodensees. Für dichtestressgewohnte Zürcher:innen wie uns das reinste Wellnessprogramm. Dass wir mit unseren batteriefreien Bikes zu einer Minderheit gehören, merken wir erst, als wir von zahlreichen E-Bikern überholt werden. Nach 10 Kilometern holt uns Nikola aus dem meditativen Flow : «Ich hab Durst. Und Hunger !». Zum Glück gibts auf der Strecke unzählige Seebeizli, Camping-Restaurants und Hafenschenken.
Villa unter Bäumen
Nach Apfelstrudel und Eistee summt und singt Nikola wieder auf dem Sattel, und die Energie reicht locker bis zum Etappenziel Kreuzlingen. Gepäckmässig haben wir das Minimum in zwei Rucksäcke gepackt. Gut ausgerüstete Eltern mit mehreren Kindern setzen besser auf Velotaschen oder sogar Veloanhänger. Uns aber reichen ein paar einfache Klamotten. Wir steigen auch nicht in einem Fünfsternehotel ab, sondern in der Jugi Kreuzlingen.
Diese liegt – ganz ohne Sterne – in einer wunderschönen und herrschaftlichen Villa unter lauschigen, alten Bäumen im weitläufigen Seeburgpark. Und ist eine heiss begehrte Unterkunft, die man weit im Voraus hätte planen sollen. Wir sind zum Glück genug erschöpft, um uns wegen des entgangenen Familienzimmers nicht zu ärgern, sondern im 12-BettZimmer mit den anderen Gästen im voll belegten Saal um die Wette zu schnarchen.
Nikola schreibt zum Abschied ins Jugi-Buch: «Das Hotel ist eines der Besten ! Die Zimmer sind toll ! Das Essen ist toll ! »
2. Tag: Kreuzlingen – Stein am Rhein – Schaffhausen
Am nächsten Morgen entscheiden wir uns spontan, ein Stück der nächsten Etappe mit dem Zug abzukürzen. Also rein mit den Drahteseln in Kreuzlingen, und wieder raus damit in Mammern am Untersee. So erwarten unsere Oberschenkel heute «nur » 30 Kilometer Training. Zuerst dem Untersee, dann dem Rhein entlang geht es mehrmals bergauf und bergab. Nikolas Kampf mit der Gangschaltung dauert ein paar Flüche lang, dann klappts. Der nächste Zwischenstopp ist auch nicht weit: Stein am Rhein. Und dort, weil wir nicht zu viel Zeit verplempern wollen, fahren wir flink durch das Städtchen hindurch bis zum Museum Lindwurm. In diesem Haus in das Familienleben des 19. Jahrhunderts einzutauchen, erweist sich als tolles Highlight (siehe Tipps) !
Die nachfolgende Route eng der deutschdänischen Grenze entlang erweist sich noch einmal als schweisstreibend. Doch als bei der spontan angepeilten Imbissbude «drüben» wegen kollabierter Technik kein Essen zu kriegen ist, sondern nur Glace – ist das für Nikola richtig cooles «Pech». Das Schlaraffenland-Cornet ist so monströs, dass er den letzten Bissen ausnahmsweise gerne abgibt. Nun sind wir motiviert für die letzten Kilometer dem Rhein entlang. Den Anblick des tosenden Rheinfalls müssen wir uns mit gefühlt Millionen Touristen teilen, doch danach wartet ein nächster Höhepunkt : der schweizweit grösste Seilpark «Adventure Park». Nikola ist zunächst skeptisch. Doch die Crew weiss, wie sie den Kids (und Eltern ! ) die Angst vor der schwindelerregenden Höhe aufden Drahtseilen durch die Baumwipfel zu überwinden hilft.
Als ich nach sechs Parcours Durst und eine Hungerrast habe und dringend aufs Klo müsste, insistiert Nikola: «Noch einen einzigen, bitte, bitte !» Ich gebe nach. Womit wir nicht gerechnet haben, ist, dass sich nach den Kraft- und Balancierakten im Seilpark die Strasse bis zu unserem Schlafplatz in der Jugi Schaffhausen noch einmal fünf Kilometer den Berg hochschraubt. Komplett ausgepowert biegen wir in den Park ein – und stehen vor einem entzückenden Schlösschen mit Erkern und Türmchen. Obwohl wir etwas spät sind, dürfen wir noch Hörnli mit Hackfleisch und Apfelmus schaufeln. Das gabs auch als leckere Vegi-Version. Danach schlafen wir – in einem Familienzimmer ganz für uns – wie die Götter.
Günstig Parkieren
Familien haben schnell viel Gepäck, da ist es einfacher mit dem Auto an den nächsten Bahnhof zu fahren. Mit der P+Rail App der SBB kann man an über 600 Standorten easy und günstig auch tageweise parkieren (funktioniert auch über sbb.ch). Die Überprüfung des dafür nötigen ÖV-Abos erfolgt über den Swisspass.
Junior-Karte
Kinder kommen bei der SBB bis zum 16.Geburtstag richtig günstig weg. Wenn man es richtig macht. Kleinkinder bis 6 Jahre fahren sowieso gratis, ab dann gilt der halbe Preis. Wer mehr als einmal pro Jahr mit seinen Kids Zug fährt, braucht unbedingt die Juniorkarte. Für nur 30 Franken pro Jahr haben die Kids bis zum 16. Geburtstag freie Fahrt – wenn ein Elternteil dabei ist.
Die Kinder Mitfahrkarte
Wer öfters mit Enkelkindern, Göttikindern oder mit Kindern von Freunden unterwegs ist, sollte unbedingt eine Kinder-Mitfahrkarte kaufen. Kostet 30 Franken und damit können Kinder ab 6 Jahren bis vor dem 16.Geburtstag ein ganzes Jahr lang in Begleitung eines Erwachsenen gratis durch die Schweiz reisen. Gibt es auch auf dem Swisspass. Die Kinder-Tageskarte ist eine weitere empfehlenswerte Option.
Spartageskarten
Wer früh plant, der spart richtig. Die Spartageskarte gibt es für Erwachsene bereits ab 29 Franken mit Halbtax und ab 52 Franken ohne Halbtax. Je früher man kauft, desto mehr Spartageskarten sind noch verfügbar. Bequem auf sbb.ch/sparen oder mit der SBB Mobile App kaufen.
Familienabteil
Man erkennt sie von Weitem an ihrer bunten Bemalung und sie lassen Kinderherzen höher schlagen: Die Familienwagen der SBB mit Spielplatz auf dem Oberdeck. Sie verkehren auf vielen IC-Strecken und sind im Fahrplan mit FA gekennzeichnet.
Sitze reservieren
In den Schulferien und an Wochenenden macht eine Sitzplatzreservation das Reisen mit Kindern sehr viel einfacher. Pro Person kostet diese 5 Franken und ist ganz easy über die SBB Mobile App zu tätigen. Strecke und Zeit auswählen und dann unter dem Punkt Billette Sitzplatzreservation anwählen. Funktioniert übrigens auch für den Familienwagen, allerdings nur via SBB Contact Center 0848 446688. Bei Verbindungen mit Umsteigen ist die Reservation für den Anschlusszug gratis.
Alle Infos unter: sbb.ch/kinder
In Kooperation mit
3. Tag: Schaffhausen – Zürich
Am nächsten Morgen nieselt es draussen, der Wetterbericht sagt Regen und Gewitter voraus. Gerne hätten wir noch radelnd Eglisau angepeilt, doch wir haben genug erlebt. Uns zum Schluss samt Kind noch abduschen zu lassen – dieses Abenteuer verschieben wir auf die nächste Velotour. Zumal die Waggons von Schaffhausen nach Zürich an diesem Sonntagmorgen so gähnend leer sind, dass für uns vollends klar wird: Die Kombi Velo/Zug mit Familie schlägt – bei guter Vorbereitung – punkto Action und Erholung jede andere Reiseform.
Aristokratisch & günstig: Jugis
Auf unserer Tour von Arbon nach Schaffhausen übernachteten wir zweimal in Jugendherbergen mit herrschaftlichem Ambiente: In Kreuzlingen in einer alten Villa mitten im weitläufigen Seeburgpark, in Schaffhausen thront die Jugi als Schlösschen auf einer von Bäumen umgebenen Anhöhe. In der Schweiz gibt es über 50 Jugis in stilistischer Vielfalt – von der charmanten Waldhütte bis zum modernen Betonbau. Bezahlbar sind sie alle. Die Membercard kostet ab 27 Jahren Fr. 30.–, für Jugendliche und junge Erwachsene Fr. 15.– pro Jahr. Für ein 4-Bett-Zimmer bezahlen Familien (2 Erw., 2 Kids im Schulalter) ab Fr. 150.– inkl. Frühstück, für den Platz im Mehrbettzimmer ab Fr. 42.–.