Wie Frauen Stillen und Beruf unter einen Hut bringen
Stillen und Arbeit

Arbeiten und in den Pausen Milch abpumpen kann hektisch sein.
Das Dilemma ist programmiert: Fachleute und Weltgesundheitsorganisation empfehlen, Babys während sechs Monaten ausschliesslich mit Muttermilch zu ernähren. Der gesetzlich vorgeschriebene, bezahlte Mutterschaftsurlaub dauert jedoch nur 14 Wochen. Obwohl die Vorteile der Brusternährung unbestritten sind, stillen viele Mütter, die nach Ablauf dieser rund drei Monate wieder ins Berufsleben einsteigen, ihr Kind ab.
«Wenn die Babys zu uns kommen, trinken sie Flaschenmilch», sagt eine Mitarbeiterin der Zürcher Kindertagesstätte Sputnik. Auch Mariza Diaz vom Luzerner «Chinderhus Wundertüte» betreut selten Kinder, die noch gestillt werden. «Wir sind offen für alle Lösungen, aber dass eine Mutter abgepumpte Muttermilch zu uns bringt, ist eher die Ausnahme.» Ganz anders klingt es in der Berner Kindertagesstätte Matahari.
Die Säuglinge, die dort betreut werden, erhalten mehrheitlich Muttermilch, was auch an der Leiterin Darina Hürlimann liegt. Sie empfiehlt den Müttern «ihrer» Schützlinge, abgepumpte Muttermilch mitzubringen und abends sowie an Freitagen zu stillen. «Ich finde es schade, wenn die Stillbeziehung unter der Berufstätigkeit der Mutter leidet.»
Der Wille zählt
Tatsächlich hören längst nicht alle Mütter aus Überzeugung mit dem Stillen auf, wenn sie zur Arbeit müssen. Viele glauben, «dass es eben nicht anders geht.» Die langjährige ausgewiesene Stillberaterin Therese Röthlisberger hat andere Erfahrungen gemacht: «Wenn eine Frau will, lässt sich ein Weg finden.» Ein häufiger Grund zum Abstillen sei die Vorstellung, dass es am Arbeitsplatz kein ruhiges Plätzchen zum Abpumpen oder Stillen gebe.
Zwar gehen nicht alle Betriebe so weit wie die Raiffeisen Gruppe, die an ihrem Hauptsitz in Sankt Gallen ein Ruhezimmer für schwangere und stillende Angestellte einrichtete. So viel Aufwand lohnt sich in Betrieben mit wenig Angestellten kaum. Aber Ruhe finden Frauen auch in einem leeren Sitzungszimmer oder Büro. Gerade in kleineren Betrieben erweisen sich die Vorgesetzten manchmal als sehr zuvorkommend.
Das Arbeitsgesetz steht auf der Seite der Mütter: Stillende geniessen genauso wie schwangere Arbeitnehmerinnen besondere Rechte am Arbeitsplatz. So gilt Stillen am Arbeitsplatz während des ganzen ersten Lebensjahrs des Babys als Arbeitszeit und muss nicht nachgeholt werden. Verlassen die Mütter den Betrieb zum Stillen, muss ihnen der Arbeitgeber immerhin noch die Hälfte dieser Abwesenheit als Arbeitszeit anrechnen. Natürlich kann nicht jede Angestellte täglich mehrmals in die Krippe rennen, um ihr Baby zu stillen. Doch wenn Mutter und Kind nur fünf Gehminuten voneinander getrennt sind, gibt es keinen Grund, sich davon abhalten zu lassen.
Stilleinsatz ist nur kurz
Laut Therese Röthlisberger sind sich viele Frauen nicht bewusst, dass ihr Stilleinsatz nur von kurzer Dauer ist. «Nach vier bis sechs Monaten bekommen die Kinder Beikost und können auch mal auf eine Stillmahlzeit verzichten.» Deshalb lohnen sich manchmal auch scheinbar aufwendige Lösungen.
Abpumpen empfinden viele Frauen im Vornherein als komisch. Dieses Vorurteil scheint sich hartnäckig zu halten, obwohl sich das Abpumpen mit modernen Geräten für die meisten Frauen als Kinderspiel erweist. Damit die Betreuungsperson genügend Vorrat hat, fangen Mütter am besten schon einige Wochen vor Ablauf des Mutterschaftsurlaubes damit an, regelmässig Milch abzupumpen (siehe Kasten).
Kommt die Milch danach ins Eisfach, kann sie mehrere Monate lang aufbewahrt werden. Das Kind sollte am ersten Arbeitstag der Mutter bereits daran gewöhnt sein, manchmal aus der Flasche oder einer Tasse zu trinken. Am besten klappt dieses Unterfangen, wenn es den Schoppen vom Vater oder einer anderen nahen Bezugsperson bekommt, denn von der Mutter ist es sich die Brust gewöhnt.
SO KLAPPT ES MIT ARBEIT UND STILLEN
- Informieren Sie Ihren Arbeitgeber rund zwei Wochen vor Ablauf des Mutterschaftsurlaubes darüber, dass Sie Ihr Kind weiterhin stillen. Auf diese Weise bleibt ihm Zeit, Ihnen einen geeigneten Raum zum Stillen oder Pumpen zur Verfügung zu stellen.
- Falls Sie Milch abpumpen wollen, fangen Sie damit nicht zu früh an. Nach der Geburt steht das Stillen im Vordergrund. Erst wenn sich das wirklich eingespielt hat, sollten Sie es mit der Pumpe versuchen.
- Informieren Sie sich bei einer Stillberaterin über die korrekte Anwendung der Pumpe und die Aufbewahrung von Muttermilch.
- Geben Sie nicht gleich auf. Dass Sie sich nach der Arbeit sehr müde fühlen, ist normal und hat wenig mit dem Stillen zu tun.
- Falls es Ihnen zu viel wird, dauernd Milch abzupumpen, müssen Sie nicht gleich ganz aufs Stillen verzichten. Viele Kinder trinken tagsüber künstliche Babynahrung und werden nachts gestillt. Erkundigen Sie sich bei einer Stillberaterin, was Sie in diesem Fall beachten müssen, um einen Milchstau zu verhindern.
Buchtipp
Kathleen Huggins, Gale Pryor: Stillen, Job und Family,
La Leche League Schweiz. Fr. 27. 90