Ich bin Vater eines bald 10-jährigen Jungen, der von Anfang an hälftig bei seiner Mutter und mir lebt. Getrennte Haushalte sind emotional und logistisch eine Herausforderung, ideologisch aber ist es das reine Paradies, weil man eine ganze Reihe von Kompromissen gar nicht erst zu schliessen braucht. So mussten wir uns nicht auf eine Ernährungsweise für unser Kind einigen, sondern konnten ihm einfach auftischen, was wir ohnehin auftischen: Bei der Mutter gabs oft Fleisch, Eier und Käse, bei mir nie. So wie es bei ihr wenig Bildschirmzeit gibt und bei mir, nun: ausreichend.
Vor zwei Jahren hat mein Sohn entschieden, Vegetarier zu werden. Ich fand das toll. Am liebsten wäre es mir gewesen, er wäre ganz vegan geworden. Aber ich sagte nichts. Ich versuchte ohnehin, ihn nicht zu beeinflussen, sondern beantwortete lediglich seine Fragen, warum ich keine tierischen Produkte esse. Er hörte immer wieder aufmerksam zu, bat, als es um die Tötungsmethoden ging, entsetzt darum, mit Details verschont zu werden, und verkündete eines Tages, fortan kein Fleisch mehr zu essen, aber weiterhin Eier und Käse.
Seine Mutter fand das gar nicht gut. Sie fürchtete um die Gesundheit unseres Kindes. In ihren Augen sind Schnitzel, Omeletten und vor allem Milch enorm gesund. Dass mit diesen Nahrungsmitteln Umweltschäden und Tierleid verbunden sind, und dass die Gesundheitsbehauptung Marketing einer mächtigen Lobby ist, tat sie als etwas gar dramatisch ab. Unser ideologischer Frieden kam ins Wanken. Bis dahin hatten wir einander einfach machen lassen. Nun, da sich etwas verändert hatte, tat sich ein Graben auf, der schon vorher bestand, an den sich aber aufgrund eigener Esstische keiner vorgewagt hatte.
Wir fanden einen Kompromiss: Die Mutter legt unserem Sohn kein Fleisch mehr in den Teller, und ich kaufe dafür Eier und Käse. Ich fand das fair, auch ihm gegenüber: Wenn Eier ihm schmecken, soll er sie essen. Es kostete mich allerdings reichlich Überwindung, diese Produkte wieder in den Einkaufskorb zu legen. Ich wusste ja, wie sie hergestellt wurden: Kühe halten wir dauerschwanger, damit sie ständig Milch geben, die Kälber nehmen wir ihnen nach der Geburt weg, um sie zu schlachten, und männliche Küken vergasen wir direkt nach dem Schlüpfen, weil wir sie als unwirtschaftlich erachten. Das ist die eine Wahrheit.