Check-In am Flughafen: Auf unserem Gepäckwagen liegen zwei Taschen für den Urlaub, ein Sack mit dem Buggy - und ein Kinderautositz. Wir sehen aus, als wollten wir auswandern, dabei wollen wir nur eine Woche in die Ferien fliegen. Vor Ort brauchen wir allerdings weder Auto noch Kindersitz. Im Flugzeug benötigen wir den Sitz allerdings schon.
Vorgeschrieben ist das natürlich nicht: Kinder ab zwei Jahren sollen wie Erwachsene mit einem Beckengurt gesichert werden. Doch Experten warnen schon seit Jahren, dass der Beckengurt die Sicherheit der Kinder nicht wirklich gewährleistet. Im Gegenteil – unter Umständen gefährdet er die Kinder sogar. Auch für Babys und Kleinkinder unter zwei Jahren bringe der zusätzliche Mini-Gurt keine Sicherheit. Nur im eigenen Sitz reisen die Kinder wirklich geschützt.
Wir reisen also mit einem Autositz im Handgepäck. Und kassieren dafür ironische Fragen von unseren Freunden («Nehmt ihr auch das Bobbycar ins Flugzeug mit?») und fragende Blicke beim Boarding. Denn im Strassenverkehr zweifelt niemand daran, dass Kinder einen eigenen Sitz brauchen. Doch am Flughafen sind wir Exoten.
Mit Kinderautositz ins Flugzeug
Beim Check-In wollen die Mitarbeiter* innen den Sitz immer wieder als Sperrgepäck in den Flugzeugbauch schicken. An der Sicherheitskontrolle blieb er schon mal im Röntgengerät stecken. Und einmal hätten wir ihn selbst fast auf der Flughafen-Toilette vergessen. Es fiel uns nur auf, weil wir uns plötzlich so leicht vorkamen. Denn so ein Kinderautositz wiegt acht bis zehn Kilo. Je nach Entfernung zum Gate ist der Transport ein Kraftakt.
Normalerweise reisen Kinder unter zwei Jahren auf dem Schoss der Eltern. Zur Sicherung bekommen diese im Flugzeug einen sogenannten Loop Belt ausgehändigt (siehe unten). Dieser ist in Europa seit 2008 Pflicht. Der kleine Zusatzgurt hielt unsere Tochter damals allerdings kaum davon ab, während des Flugs auf unseren Oberschenkeln Trampolin zu springen. Wir hegten also schon gewisse Zweifel am System, benutzten es aber trotzdem. Zum Glück hatte ich damals noch nicht mit David Toth gesprochen.
Der Loop Belt kann tödliche Folgen haben
Toth ist Luftfahrtexperte beim deutschen TÜV Rheinland – jener Institution, die auf Antrag der Hersteller Autositze aus aller Welt auf ihre Flugtauglichkeit prüft. Zu Toths Job gehört es also, sich Gedanken über die Sicherheit von Kindern im Flugzeug zu machen. Er sagt: «Für Kinder unter zwei Jahren ist der Loop Belt die vorgeschriebene Mindestsicherung. Sicher ist er aber nicht.»
Und dann beschreibt er, wie bei einer Notlandesituation der Gurt den Kindern in die Weichteile schneidet. Schon bei einer Vollbremsung am Boden, etwa bei einem abgebrochenen Start, kann das Baby auf dem Schoss durch den Erwachsenen stark zusammengedrückt werden. Toth kennt die Ergebnisse der Crashtests, sein Fazit ist schonungslos: «Der Loop Belt kann tödliche Folgen für ein Kind haben.»
Der Luftfahrtexperte empfiehlt deshalb, Kinder im Flugzeug in der Babyschale oder in einem altersgerechten Autositz zu befördern. «Auch, wenn das die Flugreise teurer macht.» Denn auf dem Schoss der Eltern reisen Kinder unter zwei Jahren bei den meisten Airlines kostenlos oder zum Spottpreis mit. Wer für den Nachwuchs einen eigenen Sitz bucht, zahlt dafür rund 80 Prozent des Erwachsenen-Flugpreises.
Hohe Verletzungsgefahr durch Beckengurt
Den muss man für Kinder ab zwei Jahren aber sowieso berappen. Ab diesem Zeitpunkt zählen Kinder für die Fluggesellschaft als normale Passagiere. Sie bekommen einen eigenen Sitzplatz – und sollen mit dem normalen Beckengurt gesichert werden. «Doch für Kinder unter 1,25 Metern ist das ein Sicherheitsrisiko», sagt David Toth.
In Notlandesituationen sei die Verletzungsgefahr hoch. Ausserdem können sich Kinder relativ einfach selbst aus dem Gurt befreien – wie unsere Tochter. Deshalb hat Toth eine klare Meinung: «Kinder bis sieben Jahre sollten beim Fliegen im Autositz sitzen», sagt er.
Welcher Autositz ist fürs Flugzeug zugelassen?
Doch längst nicht jeder Autositz ist fürs Flugzeug zugelassen. Mein Mann und ich haben uns durch lange Listen gelesen – und am Ende einen neuen Sitz extra fürs Flugzeug angeschafft. Denn unserem alten Autositz fehlte das wichtigste Kriterium fürs Flugzeug: Die Gurtführung muss sich mit dem Beckengurt des Flugzeugs kombinieren lassen. Ausserdem muss der Sitz bei Crashtests seine Flugtauglichkeit unter Beweis gestellt haben. Solche Sitze tragen das «For use in Aircraft»-Logo.
Mit dem Aufkleber darf der Sitz bei jeder europäischen Airline mit in die Kabine – theoretisch jedenfalls. Praktisch macht jede Fluggesellschaft, was sie will. Denn in den Flugzeugen haben die Airlines das «Hausrecht». Daher rät selbst die europäische Flugsicherheitsbehörde EASA, sich vor jedem Flug nochmals schriftlich von der Airline – egal ob Swiss, Edelweiss oder Easyjet – bestätigen zu lassen, dass die Mitnahme von Kindersitz Modell XY auf dem Flug von A nach B wirklich gestattet ist.
Auch vor der Benutzung von etwas weniger gängigen Rückhaltesystemen sollte man sich vorher auf der Webseite der Airline informieren. Denn oft stehen die Informationen im Kleingedruckten. So ist der Kindergurt «Cares», der an der Rückenlehne festgemacht und dann über die Schulter gelegt wird, zwar behördlich zugelassen. Doch jede Airline darf selbst entscheiden, was sie in ihren Flugzeugen erlaubt und was nicht.
Die Swiss zum Beispiel gestattet «Cares», die Lufthansa nicht. Ähnlich vertrackt ist die Lage beim «Luftikid», einem gelben, aufblasbaren Kindersitz. Das ältere Modell mit Flugzeug-Zulassung ist im Handel nicht mehr erhältlich. Man bekommt es nur noch auf dem Second-Hand-Markt. Es gibt zwar schon einen Nachfolger – doch der hat noch keine Lizenz zum Fliegen (Stand: 2020).
Was man an Bord nicht erwarten darf, ist Unterstützung durch das Personal. Die meisten Airlines bitten um Verständnis, dass die Flugbegleiter bei der Befestigung von Kindersitzen leider nicht behilflich sein könnten. Aber unsere Erfahrung hat gezeigt: Wenn man es mit dem Sitz erstmal bis an Bord des Flugzeugs geschafft hat, ist der Einbau nur noch ein Kinderspiel.