Postnatale Depression beim zweiten Kind
Kommt die Depression wieder?
Von Käther Bänziger
Wer nach dem ersten Kind an postnataler Depression gelitten hat, könnte beim zweiten Kind wieder depressiv werden.
Frauen, die bereits einmal eine Depression durchgemacht haben, tragen tatsächlich ein erhöhtes Risiko, nach einer Geburt erneut zu erkranken. Es spielt dabei keine Rolle, ob es sich um eine postnatale oder eine andersgeartete Depression handelte. Denn neueren Erkenntnissen zufolge sind nicht die körperlichen Veränderungen während der Schwangerschaft und nach der Geburt Schuld an der seelischen Verstimmung.
Normalerweise treten Depressionen nach einem einschneidenden Erlebnis auf, zum Beispiel nach einer Trennung oder bei Arbeitsplatzverlust. Ebenso kann die Geburt ein Auslöser sein. Fachleute schätzen, dass 10 bis 20 Prozent aller Frauen statt Mutterglück tiefe Verzweiflung empfinden. Je nach Quelle steigt das Risiko auf 25 bis 50 Prozent, wenn sie bereits vorher schon einmal depressiv waren.
Dennoch rät Dr. Jürgen Wolf, Oberarzt der Depressionssprechstunde im Psychiatriezentrum Wetzikon, nicht von einer erneuten Schwangerschaft ab. Denn: «Die nächste Geburt führt nicht zwangsläufig zu einer Depression und falls doch, ist sie behandelbar.»
Es kann jede treffen
Verhindern lässt sich der Ausbruch kaum, denn die Ursachen sind nach wie vor weitgehend unbekannt. Treffen kann es jede: Mütter mit mehreren Kindern; solche, die sich ihr Kind jahrelang gewünscht haben; Berufstätige ebenso wie Vollzeitmütter. Eine Rolle spielt die Familiengeschichte. Sind in der Verwandtschaft gehäuft Depressionen aufgetreten, steigt das Risiko. Schwierige Paarbeziehungen gelten ebenfalls als Risikofaktor, doch umgekehrt bietet eine perfekte Ehe keinen hundertprozentigen Schutz.
Gerade Frauen mit einem guten Umfeld finden es oft sehr schwierig, über ihre wahren Gefühle zu sprechen. Eigentlich hätten sie allen Grund, zufrieden und glücklich zu sein. Stattdessen fühlen sie sich niedergeschlagen und ausgelaugt, haben Schlafstörungen und keinen Appetit. Hausärzte, Hebammen und Gynäkologinnen können diese typischen Symptome heute besser einordnen. Dennoch rät Dr. Jürgen Wolf vorbelasteten Frauen, sich während der Schwangerschaft und nach der Geburt von einer psychologischen Fachperson begleiten zu lassen.
Austausch mit Betroffenen suchen
Eine Erleichterung ist für viele Mütter auch der regelmässige Austausch mit anderen Betroffenen. In einer Selbsthilfegruppe werden sie ohne viele Worte verstanden und spüren, dass sie mit ihrem Problem nicht allein sind. Daneben gibt es im Internet verschiedene Foren für Frauen, die eine postnatale Depression haben oder hatten. Einige von ihnen bekamen später ein weiteres Kind und konnten die Zeit mit dem neuen Baby unbeschwert geniessen. Ihr wichtigster Ratschlag an Schwangere, die aufgrund ihrer Vorgeschichte eine Depression entwickeln könnten, lautet, sich von Anfang Unterstützung zu organisieren und Hilfe anzunehmen.
Befindet sich eine Frau bereits im seelischen Tief, fällt es ihr nämlich doppelt schwer, auf andere Menschen zuzugehen und sie um etwas zu bitten. Umso wichtiger ist es, dass Partner, Angehörige und Freunde auch von sich aus Hilfe anbieten und wenn nötig mit einer Fachperson sprechen. Wenn eine Depression unbehandelt bleibt, dauert sie nicht selten monate- oder sogar jahrelang und kann in seltenen Fällen für Frau und Kind lebensgefährlich werden. Suizidgedanken sind immer ein Alarmzeichen, das von der Umwelt sehr ernst genommen und nicht ohne professionelle Hilfe angegangen werden sollte.
Ausführliche Informationen zum Thema sowie Unterstützung finden Sie im Netz unter www.postnatale-depression.ch.