Ich nenne jetzt nicht einfach eine absurd hohe Zahl, um den Begriff «viel» zu illustrieren. Ich habe meinem Sohn wohl tatsächlich je 2000 Mal erklärt, dass man «bitte» sage, wenn man etwas wolle, «danke», wenn man es bekommen habe, sowie «ja, gern», wenn einem etwas angeboten werde, beziehungsweise «nein, danke». Im Weiteren, dass man still sei und warte, wenn jemand telefoniere, und dass man, wenn zwei Menschen sich miteinander unterhielten, nicht einfach dreinrede, sondern frage, ob man unterbrechen dürfe. Weitere 2000 Mal habe ich ihm klargemacht, dass meine Anweisungen – Pyjama anziehen, Schuhe anziehen, zu Tisch kommen, Zähne putzen – keine Angebote seien, sondern eben Anweisungen, und dass sie auf der Stelle zu befolgen seien und nicht irgendwann im Verlaufe des restlichen Tages.
Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Ich muss meinem Sohn, der mittlerweile sieben Jahre alt ist, all diese Dinge nur noch jedes zehnte Mal in Erinnerung rufen. Er guckt dann immer leicht genervt. Wie man halt so guckt, wenn einer etwas sagt, das er schon mindestens 2000 Mal gesagt hat und das schon beim ersten Mal nicht besonders interessant gewesen ist. Dann führen wir – also ich – ein kurzes Gespräch über den Sinn von Regeln sowie über deren Dauerhaftigkeit. Auch das macht mich bei meinem Kind nicht unbedingt populär, aber– und damit kommen wir zum Kern der Sache – es ist auch nicht mein Ziel, ein populärer Papa zu sein. Sondern ein erfolgreicher.
Damit meine ich: Ein Papa, dem es gelingt, seinem Kind Manieren beizubringen. Und beides zusammen geht nicht. Man kann nicht gleichzeitig beliebt sein und sich durchsetzen. Es ist ein Widerspruch, den jede Chefin und jeder Chef kennt und jeder Vorgesetzte im Militär: Will man seine Leute führen, kann man sich nicht zu ihrem Freund machen. Sie nehmen einen dann schlicht nicht mehr ernst. Wozu auch?
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Ich liebe meinen Sohn über alles. Sein Wohlergehen ist mir das Wichtigste im Leben. Ich sehe ihn gewiss nicht als meinen Untergebenen an. Wenn ich merke, dass ihn etwas bedrückt oder irritiert, das ich sage, umarme ich ihn, setze mich zu ihm und erkläre ihm meine Beweggründe so lange, bis er sie versteht. Das unterscheidet den Vater vom Chef. Der braucht sich niemandem zu erklären. Der Vater schon. Es ist seine Aufgabe, eine Reihe von Dingen radikal durchzusetzen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass die Seele des Kindes dabei möglichst wenig Schaden nimmt. Und das ist keine leichte Aufgabe.