Mamaversum
Das wars dann, lieber Kinderwagen
Mit dem Buggy ihres Sohnes verband unsere Kolumnistin Maja eine Hassliebe. Jetzt, da sie ihn los ist, vermisst sie ihn. Abschied von einer Lebensphase.
Da geht er nun. Wie ein Grosser läuft er im Schritttempo neben mir her. Den Weg zur Tramhaltestelle kennt mein Sohn bestens. Er kennt ihn aber im Buggy sitzend. Dann brauchen wir für die Strecke knapp vier Minuten. Tempi passati. Jetzt, da sich mein Sohn entschieden hat, gross zu sein und «sicher nüme» einen Kinderwagen braucht, wird die kürzeste Strecke endlos. Die Gründe dafür sind ja schön: da ein Schmetterling, dort ein Blüemli und «Mama, lueg, es Büsi ! » Weg ist das Kind. Dass wir einen Termin haben, könnte ihm nicht egaler sein. Was für ein schönes Leben, denke ich. Kein Druck, kein Stress, nie ein Ghetz. Go with the flow. Und wenn der Flow halt eine Regenwurm-Parade bietet, dann bleibt man stehen, beobachtet, stellt 7654 Fragen, marschiert los, um sogleich noch mal umzudrehen, weil: «Wo gönd dʼWürm denn ane, wenns nüme rägnet ? Chum, mir sueched e Wurmhöhli !
Ich habe mich riesig darauf gefreut, nicht mehr mit Kinderwagen unterwegs sein zu müssen. Hab das Teil nun drei Jahre durch die Weltgeschichte geschoben. Wir hatten gute Zeiten und sehr viele schlechte Zeiten. Unser Sohn fand die Liegewanne das Letzte. Ab Tag 1 bis zum Sportsitz. Mit diesem liefs etwas besser. Wenn er gute Laune hatte. Lange Strecken waren nie eine Option. Bis er drei wurde. Und den Buggy zu seinem besten Freund erkoren hat. Warum, weiss niemand.
Samstagmorgen - Wägeli weg
Während Monaten wollte der Junge nichts vom Trotti wissen, nichts vom Velo und schon gar nicht vom Zu-Fuss-Gehen. Unsere Motivationsversuche fanden null Gehör. Wir hatten schon resigniert, bis er an einem gewöhnlichen Samstagmorgen sagte, dass er das Wägeli nicht mehr braucht. Er gehe jetzt mit dem Velo einkaufen. Das wars. Mir nichts, dir nichts, verabschiedete mein Sohn seinen Kinderwagen. Er hat das so emotionslos gemacht, dass ich schon fast Mitleid mit dem Göppel hatte. Ganz allgemein waren da viele Gefühle. Ganz vorne: Stolz. Gefolgt von Erleichterung. Und viel Freude.
Die Ungeduld und das Genervtsein kam später. Also erst, als ich schnallte, was kein Buggy-Kind mehr zu haben heisst: Zum einen sehr viel mehr Zeit für Wege einberechnen, zum anderen ist es nun definitiv vorbei mit dem « Umäbäbelen ». Mein Baby ist kein Baby mehr. Mein Baby ist ein Bub. Aus dem wehrlosen Bündeli-Baby ist ein neugieriger kleiner Junge geworden. Statt schmüselen müssen wir jetzt hart verhandeln. Eine Einsicht, die mir einen Stich ins Herz versetzt. Der ist aber seit vorgestern vergessen. Warum, weiss ich nicht. Er ist aber einfach so verschwunden wie der Kinderwagen. Und wisst ihr was ? Das ist super so !
Über Umwege, die sie als Reiseleiterin in die Türkei und an den Empfang von «Tele Züri» führten, landete Maja Zivadinovic im Journalismus. Zusammen mit Yvonne Eisenring und Gülsha Adilji macht sie seit 2021 den SRF-Podcast Zivadiliring. Ihr Lieblingsjob ist aber ein anderer: Seit Juni 2020 ist sie Mami eines Buben.