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Coronavirus
Familien erzählen vom neuen Alltag
Von Anita Zulauf und Martina Schnelli
Notstand wegen des Coronavirus in der Schweiz: Wie erleben Familien die ausserordentliche Situation? Wie strukturieren Eltern die Tage ihrer Kinder, die aufgrund der geschlossenen Schulen zu Hause sind? Welche Chancen bieten sich in dieser extremen Lage? Familien erzählen.
Um die Zahl der Ansteckungen mit dem Coronavirus zu verlangsamen, hat der Bundesrat am 16.3.20 den Notstand erklärt. Schulen sind geschlossen. Wer kann, verlagert die Arbeit ins Homeoffice. Soziale Kontakte sollen gemieden werden.
In diesem Beitrag erzählen Familien in Texten und Bildern, wie sie diese Zeit erleben.
Auch die Forschung interessiert sich dafür, wie der Coronavirus den Alltag von Familien durcheinanderwirbelt. Am Institut für Psychologie der Universität Bern wird derzeit erforscht, wie Eltern die Situation wahrnehmen, wie sie damit umgehen und sie verarbeiten. Teilnehmerinnen und Teilnehmer über 18 Jahre mit mindestens einem Kind im Haushalt sind gesucht: Hier können Sie an der Onlinebefragung teilnehme.









Gianfranco Salis aus dem Kanton St. Gallen erzählt: «Theo hatte schon immer Freude am Erzählen. So brachte er uns auf die Idee, einen Kinderpodcast zu gründen.
Auf kinderpodcast.ch spricht unser sechsjähriger Sohn in jeder Folge zu einem Thema, das er selber gewählt hat. Im Moment sind dies Tiere wie der Leopard oder das Gnu. «Theo erzählt» ist ein richtiges Familienprojekt geworden: Meine Frau Karin gestaltet als Primarlehrerin zu jeder Folge ein Arbeitsblatt mit einfachen Aufträgen, ich stelle als Ex-Lehrer, Moderator und Podcaster Fragen und Theo antwortet so, wie Kinder in seinem Alter eben antworten: völlig kindgerecht. Das Projekt macht allen Spass und trägt für uns als Familie in der Corona-Krise zur notwendigen Tagesstruktur bei.»
Balkon als Spielzimmer

«Wir leben nach einer Woche im Ausnahmezustand noch sehr harmonisch miteinander. Das liegt vielleicht auch am frühlingshaften Wetter, denn dank unseres Schrebergartens können wir noch hin und wieder nach draussen, wo sich Lias (1,5) und Jael (4,5) auf dem Baggerplatz austoben können», schreibt Stefanie aus Zürich. «Zudem sind wir sehr viel auf dem Balkon und haben das Spielzimmer mehr oder weniger nach draussen verlegt, so haben wir wenigstens ein bisschen räumliche Veränderung und die frische Luft können wir so trotzdem geniessen. Damit Jael noch einen etwas geregelten Alltag hat, bastelt oder malt sie jeden Morgen etwas. Für ihre Kindergartenlehrerin hat sie ein Bild gemalt und es ihr per Whatsapp geschickt.»
Projekte gegen Langeweile

Natascha aus Heitenried im Kanton Freiburg erzählt: «Mama was kann ich tun, Mama mir ist langweilig, Mama, Mama und nochmal Mama! Da es für die Kinder ganz sicher auch nicht einfach ist und ich die Struktur ein bisschen beibehalten will, haben wir zusammen eine Liste erstellt. Da stehen ganz viele Sachen drauf, die wir als siebenköpfige Familie (die älteste Tochter ist nicht auf dem Bild) gerne tun möchten. Zum Beispiel:
- Gartenhaus neu streichen
- Samen eintopfen
- Unkraut jäten
- Holzbank der Kinder neu streichen
- ein kleines Sportprogramm zusammenstellen mit Yoga für Kinder
- Beautytag mit selbst gemachten Masken
- Zimmer ausmisten
- Malen und Basteln
- an den Fluss laufen und Abfall einsammeln
- im Wald eine Wurst bräteln
- Fahrradtour
- neue Lern-Apps kennenlernen
Ich hoffe sehr, dass wir diese Zeit geniessen können, so gut es eben möglich ist. Am wichtigsten ist mir aber, dass meine Kinder die Wahrheit über diese Situation kennen. Ich will sie nicht schönreden. Sie wir uns auf jeden Fall immer in Erinnerung bleiben!»
Corona-Song
«Meine Tochter Melina (9) hat einen Corona-Song komponiert. Ihrer Kreativität sind keine Grenzen gesetzt», schreibt Martina aus dem Kanton Sankt Gallen. «Wir basteln, singen, tanzen, kochen und backen gemeinsam. Wir machen Seife. Und erleben Momente der Stille. Wir geniessen diese Zeit gerade sehr.»
Abstand am Mittagstisch

«Dank schönem Wetter haben wir unseren Mittagstisch nach draussen verlegt und mit den Kindern geübt, zwei Meter Abstand zu halten», schreibt Veronica aus Zürich.
«Alle haben ihr eigenes Geschirr mitgebracht, es gab eine immunsystemstärkende Suppe aus jungen Brennnesseln, Scharbockskraut und Giersch, dazu Chnoblibrot, extra «hochdosiert», um Social Distancing zu unterstützen. Wir nutzen die Zeit vor einer allfälligen Ausgangssperre!»
Alle zusammen im Atelier
«Momentan sitzen wir meistens zu fünft in unserem Atelier. Die Kinder arbeiten da an ihren Schulaufgaben und ich versuche meinen Projekten gerecht zu werden.

Unsere zwei grösseren Töchter (17, 19) arbeiten in ihren Zimmern an ihren Schulaufgaben», schreibt Nina aus dem Kanton Zürich.
«Wir versuchen dem ganzen möglichst mit der Ruhe zu begegnen, was nicht immer einfach ist, besonders die Teenies werden in ihrem Freiheitsdrang massiv eingeschränkt und müssen sich zurecht finden im Familien-Alltag.
Bei uns müssen jetzt alle noch tatkräftiger im Haushalt mithelfen. Ich denke diese Situation schweisst noch mehr zusammen. Immer wieder treffen wir uns am langen Familientisch und bereden die Situation von Neuem, wobei wir es da auch ganz lustig miteinander haben.
Gleichzeitig müssen wir jetzt schauen wie wir finanziell über die Runden kommen, wir leben zu einem grossen Teil von unserem Lädeli. Die Situation ist ja für alle Selbstständigen und Klein-Künstler schwierig. Doch gesund sein ist das Wichtigste, und Familienzeit ist in dieser Art auch eine neue Herausforderung.»
Im Alarmmodus

Dorine aus dem Tessin erzählt: «Wir sind seit einigen Tagen im Alarmmodus. Seit Montag, 16.3., sind die Schulen geschlossen hier im Tessin.
Wir bleiben zu Hause, nur in den Garten dürfen die Kinder. Ich gebs zu, seit Samstag haben wir eine Playstation... aber natürlich sitzen Matteeo (9) und Lorenzo (7) nicht den ganzen Tag davor.
Gestern haben wir ein Plakat gemalt für die Haustür, heute haben wir Slime hergestellt. Morgen gehen wir in den Wald für einen Spaziergang.
Wir versuchen bei Laune zu bleiben, aber wir haben auch Angst.
Bald werden die Kinder Aufgaben bekommen von der Lehrerin, welche eine Whatsappgruppe gegründet hat.»
Tipp aus der Redaktion: Auf wireltern.ch haben wir Anleitungen selber Herstellen von Slime, veganen Fruchtgummis und Marshmallows!

Stark sein für die Schweiz
Marina aus dem Kanton Zürich erzählt: «Meine drei Kinder Sophie (11), Moreno (4), Noelia (1) und ich verteiben uns die Zeit entweder in unserem Garten, wo wir Frühlings-Arbeiten machen und Gemüse anpflanzen.
Oder wir stehen in der Küche und backen etwas – durchaus auch auch mal mit einer tieferen Bedeutung. Wie gestern den Kuchen mit dem Umriss der Schweiz. Mit diesem Gebäck wollten wir zeigen, dass wir in und für die Schweiz zusammen stark sind, respektive sein sollten und diese Corona-Krise überstehen werden, hoffentlich so rasch als möglich.»
Garten statt Spielplatz

Jacqueline aus dem Kanton Bern erzählt: «Unsere Buben Marvin (3) und Mailo (11 Monate) und unser Hund Janis geniessen das schöne Wetter in unserem Garten. In unserem Alltag hat sich nicht sehr viel verändert, ausser dass wir nicht mehr auf den Spielplatz gehen und leider nicht mehr mit anderen Kindern abmachen können. Im Moment stört das die Buben aber noch nicht, Marvin macht sehr gerne Puzzles, wir zeichnen, basteln, oder schauen halt auch mal Fernsehen. Feuerwehrmann Sam oder Paw Patrol sind hoch im Kurs.»
Ufzgi: Regenwurm suchen

«Die Kindergartenlehrerin von Fynn (6) hatte eine coole Idee. Sie hat den Kindern für Daheim kleine Aufgaben gegeben. Am Dienstag war die Aufgabe, einen Regenwurm zu suchen. Beim Kindergarten steht nun ein «Haus» für den Regenwurm. Alle Kinder durften ihrem Wurm einen Namen geben und in das Haus legen. So verbrachten Fynn, Levin (1) und ich den Nachmittag zu Hause im Garten und bei einem kurzen Besuch beim Regenwurmhaus», schreibt Pia aus dem Kanton Schwyz.
Finanzielle Ängste

Bei Prisca aus dem Kanton Bern ist die Situation prekär: «Es ist echt nicht lustig. Ich bin selbstständige Coiffeuse und darf nicht arbeiten. Ich habe finanzielle Ängste. Trotzdem geniessen meine Tochter Amelia (9) und ich die Zeit zusammen. Wir gehen in den Wald, zeichnen, basteln, lesen, hören Musik und Amelia liebt es, in der Badewanne zu liegen. Wir gestalten jeden Tag neu.»
Ein Tagebuch führen

Petra aus dem Kanton Luzern hatte eine spontane Idee: «Weil die Situation so aussergewöhnlich ist, dokumentiere ich diese Zeit mit meinen Töchtern Melissa und Vanessa (5 und 7). Beide haben ein altes Fotoalbum bekommen, welches wir Corona-Tagebuch nennen.
Jeden Tag machen wir einen Spaziergang, und die Mädchen machen Fotos von schönen Plätzen, Blumen, Bäumen, etc. Am Abend werden einige Bilder ausgedruckt. Am nächsten Morgen kleben die Kinder die Bilder ein und schreiben und malen über den gestrigen Tag. So haben die Kinder ein kleines Andenken an diese Zeit - die doch so besonders ist und hoffentlich nicht wieder kommt.»
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 20.4.2020.