Vaterzeit
Besuch der Schwiegereltern
Der Besuch der estnischen Grosseltern von Luule erschöpfte unseren Kolumnisten sehr. Er kam kaum zu Schlaf.
Am ersten Abend nach der Ankunft der Schwiegereltern in der Schweiz musste Luules Mami an die Verabschiedung eines Kollegen, ich sagte auch bald tschüss und traf mich mit einem Bekannten. Eher zu spät als zu früh war ich zu Hause, aber immer noch vor meiner Partnerin. Kein Problem: Luule schlief ruhig, hatte sie die Vanaema, die Grossmutter, doch längst ins Bett gebracht.
Wie schön es wäre, wenn die Grosseltern nicht 2000 Kilometer entfernt wohnten, dachte ich beim Einschlafen. Um 3.30 Uhr hatte Luule Durst und verlangte nach Wasser. Halb vier in der Nacht ist eine schreckliche «Weckzeit», um so mehr, da ich ein paar Bettumdrehungen später aufstehen wollte, um mit Luules Grossvater, dem Vanaisa, fischen zu gehen. Ich tat es, ohne wieder eingeschlafen zu sein, und sass um 5.30 Uhr im Tram – und die Vanaema eine Stunde später mit Luule im Wohnzimmer.
Endlich mal wieder Paar
Am Nachmittag um 15.30 Uhr sagte ich Luule und ihren Grosseltern schon wieder «Tschüss» beziehungsweise «head aega». Ich wollte um 17 Uhr im KKL die Eröffnung des Lucerne Festivals feiern, trank ein Glas Champagner, Luules Mami drei, und alsbald hörten wir zu, wie der Este Paavo Järvi dirigierte. Toll war das, aber noch schöner war es, als Paar endlich wieder einmal nebeneinander zu sitzen, anstatt wie üblich um einen Tag versetzt. Halb wars Zufall, halb geplant.
Noch im Zug, dann zu Hause, schliesslich am Samstagmorgen – nach einer weiteren Nacht unterbrochen durchs Luules lautstarken Wunsch nach einem Schluck Wasser – schrieb ich meine Kritik für die Zeitung und stellte sie um 10 Uhr online. Um 18.30 Uhr sassen Luules Mami und ich erneut im KKL, um Mitternacht kamen wir, viel später als geplant, nach Hause.
Wurst und Fisch
Luule schlief und bettelte erst um 5 Uhr nach Wasser – gut, denn so war der Vanaisa, der im Nebenzimmer schlief, auch gleich wach, und wir konnten los an den See. Wieder zurück, trank ich viel Kaffee und schrieb die Kritik des zweiten Festivalabends. Kaum war das gemacht, spazierte ich los, war ich doch zu einem Wurstfestival eingeladen: Dort feierte der Gastgeber um Mitternacht sprudelnd Geburtstag.
Was war am Montag? Ich hoffe nichts. Vielleicht war ich im Büro. Am Abend aber gingen Luules Mami und ich erneut ins KKL und am Dienstag assen wir sogar wie in jenen Jahrzehnte zurückliegenden Zeiten vor Luules Geburt im KKL das Vor-Konzert-Menü. Ich fühlte mich wie damals mit 21 Jahren, wenn ich abends um 20 Uhr dachte, dass ich heute ganz sicher früh schlafen gehen müsse und wenig später ein Glas Weisswein in der Hand hielt.
Alles für Luule
Kamen wir von Luzern nach Hause, sass Luules Grossmutter jeweils im Wohnzimmer, ein Pullöverchen für Luule strickend und Luules Schlaf lauschend. Muss ich erwähnen, dass sie eines Abends, Luules Schlaf bewachend, fünf Hemden und zwei Hosen für mich gebügelt hatte? Wie nebenbei sah ich auch, dass unser Kabelsalat, mit dem Luule zu «spielen» begonnen hatte, dank Grossvater zu einer perfekten, Luule-sicheren Lösung umgebaut worden war. Und eines Tages stand auch der Riesenschrank aus dem kleinen Zimmer, in das Luule bald einziehen soll, wie von Heinzelmännchen-Hand gezaubert, im Wohnungsgang.
Am Samstagmorgen fuhren wir zu fünft in ein Prättigauer Maiensäss auf 1650 Meter über Meer, alle sollten sich erholen, was vor allem Luule in ihrer Wandertrage bestens gelang. Bald gings wieder heim, hinunter in die Hitze: Die Wohnung war 29 Grad warm und die Gäste hatten einen letzten Wunsch vor der Abreise. So assen wir also bei 35 Grad auf dem Balkon ein Fondue.
Die Nacht war übel und sehr kurz. Einen Tag danach kam zwar der Regen, aber auch Luules erster Zahn. Gut, hatte ich mir mittlerweile angewöhnt, mit fünf Stunden Schlaf zu leben.