Gary Weber
«Babys setzen die Trends»
wir eltern: Woher kommen eigentlich die Ideen für ein neues Spielzeug?
Gary Weber: Wir haben eine ganze Community von externen Erfindern, die uns etwa die Hälfte der rund 5000 Ideen zutragen, die wir jedes Jahr anschauen. Viele Spielzeugkonzepte werden bei Fisher-Price in Brainstorming- Sessions geboren. Unser hauseigener «Play Lab» spielt ebenfalls eine grosse Rolle. Hier studieren wir, wie und womit Babys spielen. Wir beobachten, was sie mit den von uns zur Verfügung gestellten Spielsachen machen, wie jene der Konkurrenz ankommen, aber auch ihre Interaktion mit Alltagsgegenständen interessiert uns. Wir besuchen regelmässig Familien zu Hause – auf der ganzen Welt. Wir haben schon unzählige gute Ideen erhalten, einfach weil wir «echten» Eltern beim Spielen mit ihren Kindern zugesehen haben. Die Babys setzen also die Trends!
Sicherheit ist bei der Entwicklung von Babyspielsachen ja sehr wichtig. Welche Rolle spielt das beim Designprozess?
Eine extrem grosse! Der Spielspass sollte immer im Vordergrund stehen, doch bei der Entwicklung werden unsere Sicherheitsexperten zu regelrechten Spassverderbern! (lacht). Natürlich sind auch die Designer in Sachen Sicherheit gut informiert; doch auf die Fragen, womit sich ein Baby verletzen könnte, ob Kleidungsstücke an einem Spielzeug hängenbleiben könnten oder ob ein Fünfjähriger sich auf eine andere Art gefährden könnte – darauf hat sich gleich ein ganzes Team spezialisiert.
Stimmt es, dass viele der schönen Fisher-Price-Klassiker, mit denen wir Eltern noch gespielt haben, heute als unsicher gelten?
Zwar erfüllten unsere Sachen die Standards der jeweiligen Zeit immer – aber es ist tatsächlich so, dass etwa der klassische gelbe Schulbus aus den 1970ern mit den ersten «Little People»-Männchen aus heutiger Sicht unsicher ist: Die Figürchen sind zu klein und könnten allenfalls verschluckt werden. Unsere heutigen «Little People» sind deutlich dicker und grösser. Wir empfehlen deshalb, einige unserer alten Spielsachen nur noch als Ausstellungsstücke zu betrachten.
Viele Eltern bekunden Mühe, dass das Babyspielzeug immer lauter und bunter wird.
Es ist uns bewusst, dass die Meinung unserer Kunden, wie viel Stimulation angebracht ist für ihr Baby, auseinandergehen. Deshalb gibt es viele unserer Produkte mit Lautstärkeschalter. Was die maximale Lautstärke unserer Spielsachen betrifft, halten wir uns an den strengsten Standard weltweit: In Australien darf ein Babyspielzeug maximal 70 Dezibel laut sein. Interessanterweise erhalten wir regelmässig Feedback von Kunden, die im Spielzeugladen unsere Produkte ausprobieren wollten und gar nichts hörten, weil sie so leise eingestellt sind! Deshalb gibt es übrigens spezielle Plastiklaschen, mit denen man vorübergehend (also noch in der Verpackung) die Lautstärke aufdrehen kann. Entfernt man diese zu Hause, ist das Produkt deutlich leiser.
Svenja Plaas
Gary Weber
Als «Senior Director» des Produktedesigns bei der Spielzeugfirma Fisher-Price ist Gary Weber für die Entwicklung neuer Babyspielsachen verantwortlich. Von der ersten Produkteidee, über die verschiedenen Designschritte, bis hin zum Moment, in dem ein neues Spielzeug im Verkaufsregal steht, sorgt Gary dafür, dass Babys und Kleinkinder von 2 bis 36 Monaten mit sicheren und stimulierenden Spielsachen versorgt werden. Der zweifache Familienvater lebt mit seiner Frau und den beiden Töchtern in der Nähe des Fisher-Price-Hauptquartiers im pittoresken Städtchen East Aurora, New York.
Gibt es klare Zukunfts-Trends bei Babyspielsachen?
Babys scheren sich natürlich einen Dreck um Trends. Aber trotzdem erreichen sie gewisse Modeströmungen. Noch vor zehn Jahren waren digitale Spiele überhaupt nicht präsent in der Welt eines Kleinkindes. Heute strecken schon Zweijährige ihr Händchen nach dem iPhone aus. Fisher- Price hat zum Beispiel eine Produktereihe namens «Apptivity» entwickelt – das sind sowohl Spielsachen wie auch Apps fürs iPad und Smartphone. Für uns ist das klassische Spielverhalten immer noch sehr wichtig, aber unsere Produkte werden bereichert mit digitalen Inhalten, die zur Interaktion einladen.
Sie sind schon seit über 20 Jahren bei Fisher-Price. Wie wichtig ist es für Sie heute, geschlechtsneutrale Spielsachen zu entwickeln?
Langfristig gesehen waren Babyspielsachen schon immer viel geschlechtsneutraler als diejenigen für Kleinkinder. Dies liegt daran, dass alle Babys dieselben Entwicklungs- Meilensteine durchleben. Wenn wir Spielzeug entwickeln, die die feinmotorischen Fähigkeiten (wie Stapel-Spielzeug), die grobmotorischen (Gehhilfen) oder einfaches Spielverhalten (Bauklötze) fördern sollen, dann ist es uns bewusst, dass wir sie für alle Babys ansprechend gestalten müssen. Auch die Farben, die wir dafür verwenden, fördern die Entwicklung und sprechen beide Geschlechter an.
Was sind die grössten Herausforderungen bei der Erfindung und Entwicklung eines neuen Spielzeugs, das Kinder auf der ganzen Welt ansprechen soll?
Die grösste Herausforderung liegt bei Produkten, die ein Sujet oder Design haben, das nur in gewissen Märkten funktioniert – oder wenn der Inhalt, auf dem das Spiel basiert, etwa eine Geschichte oder ein Märchen, nicht in allen Ländern bekannt ist. Solche Barrieren zu erkennen und zu überwinden, machen meinen Job so interessant.