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Elternkolumne
Was eine Doula werdenden Eltern rät
Nadja Brenneisen begleitet als Doula werdende Eltern. Erstausstattungslisten gehören entsorgt, findet die Kolumnistin und Mutter eines Sohns.
Spätestens wenn ein Kind zur Welt kommt, ändert sich das Leben drastisch. Das ist bekannt. Wie man aber mit diesem Lebenswandel umgeht, ist höchst individuell. Ich war damals ziemlich blauäugig und ging davon aus, dass sich mein Kind meinem Leben anpasst – nicht umgekehrt. Natürlich kam ich dank dieses Irrtums – sozusagen gemeinsam mit meinem Kind – auf die Welt.
Inzwischen habe ich den Schock verdaut und mich in meiner Mutterrolle zurechtgefunden. Und ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, als ausgebildete Doula und Yogalehrerin anderen Eltern auf dem Weg in die Elternschaft zur Seite zu stehen, damit ihnen der Übergang etwas leichter gelingt. So ergab es sich, dass ich berufsbedingt bei einer Klientin war und die werdenden Eltern auf die Geburt vorbereitete. «Habt ihr noch Fragen?», schloss ich unsere Session ab. Der werdende Vater nickte und fingerte nach einem ausgedruckten Zettel, auf dem eine ellenlange Liste abgedruckt war. Er reichte mir das Stück Papier über den Tisch hinweg und fragte: «Was von dem Zeug brauchen wir denn wirklich?»
Ich freute mich über die Frage und vor allem darüber, dass das Paar davon abgesehen hatte, die Liste stoisch abzuarbeiten und nicht bereits jeglichen Schrott gekauft hatte. Als Doula mache ich nämlich die Erfahrung, dass viel lieber in Zeugs investiert wird, als in Zeit, sich wirklich mit der bevorstehenden Geburt und damit auseinanderzusetzen, was es bedeutet, ein Kind zu haben und Eltern zu sein.
Viele Eltern gehen der Lüge des Markts auf den Leim, dass man sich Sicherheit kaufen kann. Im Internet findet man unzählige Erstausstattungslisten, hochgeladen von Kinderzubehör-Grossmärkten. Sie suggerieren: Wenn du den Nimbus 2000 unter den Kinderwagen, die elefantengrosse Wickelkommode, Heizstrahler und die fünfhundert Strampler, Hütchen und Schühchen (im Ernst, welches Neugeborene trägt Schuhe?!) kaufst, dann hast du das neue Leben im Griff.
Was die Kinderzeugshändler verheimlichen ist, dass man auch mit dem besten Beistellbettchen ziemlich überfordert sein kann, wenn das Kind partout nur auf dem Körper der Mutter schläft oder noch schlimmer – sich nächtelang lieber herumtragen lässt. Um auf solche Szenarien und blank liegende Nerven vorbereitet zu sein, braucht es Zeit. Gewisse Dinge im Leben, lassen sich nicht mit einer Checkliste abhaken.
Im Grunde geht es um die Frage der Verantwortung. Sobald einem klar wird, dass es um etwas ganz Grosses geht, wenn ein Kind auf dem Weg ist, kann man entweder – wie ich damals – in der Verleugnung verharren und daran festhalten, dass alles so bleibt wie es ist. Oder man hält sich krampfhaft an Zeug und Checklisten fest, rennt wöchentlich zum 3D-Ultraschall und engagiert sicherheitshalber eine Doula.
Als Doula habe ich natürlich nichts dagegen, wenn jemand eine Doula engagieren möchte, aber ich habe leider schon mehr als einmal die Erfahrung gemacht, dass mich Frauen nicht etwa engagieren, weil sie sich gemeinsam mit mir mit der bevorstehenden Geburt auseinandersetzen wollen, sondern weil sie irgendwo gelesen haben, dass das Kaiserschnitt-Risiko reduziert wird, wenn eine Doula dabei ist. Dass mein pures Beiwohnen bei einer Niederkunft keinen Dammschnitt oder den Einsatz einer Saugglocke verhindert, muss ich nicht weiter erklären.
Die dritte und verantwortungsvolle Herangehensweise an die Elternschaft wäre, zu akzeptieren, dass kein Weg drumherum führt, sich mit den Prozessen der Geburt, den Umständen des Wochenbetts, aber auch mit den eigenen Gefühlen im Hinblick auf das Kind auseinanderzusetzen. Wer diese Verantwortung übernimmt, braucht niemanden, der einspringt. Eine Gebärende, die sich eine Atemtechnik angeeignet und so ein Werkzeug gegen den Wehenschmerz hat, ist nicht davon abhängig, ob die Hebamme im Spital eine Eins-zu-eins-Betreuung gewährleisten kann.
Wer die Verantwortung übernehmen will, geht mit ganz anderem Selbstbewusstsein in die Geburt und in die Mutterschaft. Und investiert statt in das ganze Zeugs auf Erstausstattungslisten lieber in Zeit und Mut. Zeit, sich mit Wissen und innerlich vorzubereiten und in die Rolle hineinzuwachsen. Und Mut, zu akzeptieren, dass das neue Leben ungewiss ist.