
Johan Bävman
Elternsein nach Trennung
Familie bleiben trotz Trennung: Ein Paar erzählt
Livio und Karin P.* haben ihre Kinder von Anfang an abwechselnd betreut. Seit der Trennung vor vier Jahren leben die Kinder zwei Tage die Woche plus jedes zweite Wochenende beim Vater.
Livio P. «Nach 12 Jahren Beziehung verliebte ich mich in eine andere Frau. Ich hatte schon Bedenken, wie Karin reagieren würde, zumal ich nicht auf die Kinder verzichten wollte. Doch wir hatten schon vor Annettes Geburt vereinbart, dass wir auch nach einer Trennung beide für die Kinder sorgen würden. Ich hoffte, dass sie die Vereinbarung einhalten würde.»
Karin P. «Es war ein Schock. Da war Wut, ich fühlte mich verletzt, abgeschoben, ich war ausser mir. Zumal ich trotz der Schwierigkeiten in den letzten beiden Jahren nicht mit Trennung gerechnet hätte. Doch deswegen die Kinder von ihrem Vater fernhalten zu wollen, war kein Gedanke. Sie hätten das sowieso nicht akzeptiert. Und sie waren auch so schon traurig genug. Ich bin froh, dass Livio weiterhin die Kinder betreut, dass ich nicht alles alleine machen muss. Job, Kinder, Haushalt, das alles ist ziemlich viel. Finanziell haben wir uns geeinigt. Ich sorge für meinen Lebensunterhalt, Livio bezahlt mir einen Teil der Kinderalimente.»
So bleiben Kinder gesund
Trennen sich Vater und Mutter, ist das für die Kinder oft eine grosse Belastung. Zwischen 20 und 40 Prozent der Trennungskinder in der Schweiz verlieren den Kontakt und die positive Bindung zu einem Elternteil, meist dem Vater. Die gravierenden gesundheitlichen und psychischen Folgen prägen die betroffenen Kinder oft ein Leben lang und generationenübergreifend. «Um die negativen Folgen gering zu halten, empfiehlt es sich, das passende Betreuungsmodell zu finden», schreibt die Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen. Und weiter: «Für die Kinder scheint es das Beste, wenn sie wechselweise bei Mutter und Vater leben.» Ein Forschungsteam um die Klinische Psychologin Malin Bergström vom Karolinska Institut in Stockholm zeigt, dass es Scheidungskindern in diesem Betreuungsmodell im Normalfall besser geht als jenen, die hauptsächlich bei einem Elternteil leben. Für die Studie wurden 3656 Eltern von Kindern zwischen 3 und 18 Jahren befragt. «Für das Wohlbefinden der Kinder ist nicht wichtig, dass sie immer am selben Ort wohnen. Vielmehr spielt die tiefe und kontinuierliche Beziehung zu beiden Elternteilen im Alltag eine bedeutende Rolle.»
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Livio P. «Anfangs gabs schon auch Schwierigkeiten. Karin redete mir beim Umgang mit den Kindern rein, das nervte mich total.»
Karin P. «Das war ja gegenseitig, er hat sich auch eingemischt. Mich hat vor allem gestört, dass er den Kindern seine neuen Freundinnen immer sofort vorgestellt hat, obwohl es dann nie lange hielt. Da hab ich interveniert. Livio war total sauer, hat tagelang kein Wort mit mir gesprochen.»
Livio P. «Die neuen Beziehungen gestalteten sich schwierig, vor allem wegen unseres Familienmodells. Wir feiern zusammen Familienfeste, machen gemeinsame Ausflüge und stehen in regelmässigem Kontakt. Andere Frauen finden das absurd. Sie verstehen es nicht, zumal ihre getrennten Beziehungen ganz anders verlaufen. Doch auf entsprechende Forderungen mag ich nicht eingehen, wenn das eine Frau nicht mit leben kann, ist sie nicht die richtige.»
Karin P. «Die Gesellschaft versteht unser Modell grundsätzlich nicht. Selbst Leute, die wir kennen, finden es nicht normal, dass aus einem getrennten Paar Freunde werden können. Ich geniesse die freie Zeit, wenn die Kinder bei Livio sind, die Zeit für mich und mein Privatleben. Eine feste Beziehung hatte ich bisher nicht. Wenn Livio eine Freundin hat, ist das manchmal eine echte Herausforderung, vor allem, wenn die Kinder sie toll finden. Ist sie lustiger? Lockerer? Interessanter? Hübscher? Da gibts schon Blessuren am Ego, wers kennt, weiss, was ich meine.»
Tochter Annette (14) «Zwei Zuhause zu haben finde ich toll. Denn wenn Mama oder Papa nerven, pendelt man vielleicht schon bald wieder zum anderen und der Ärger dauert nur kurz. Die Mischung aus Nähe und Distanz ist für mich ein grosser Vorteil.»
Sohn Simon (11) «Ich finde es schön, dass Mama und Papa nett sind zueinander und nicht streiten. Trotzdem möchte ich, dass sie wieder zusammen sind. Sie wollen das aber nicht. Ich finde es gut, dass wir bei beiden wohnen. Mein Freund Marius sieht seinen Papa nur selten und ist deswegen traurig. Ich wäre auch traurig, wenn ich Papa nicht viel sehen würde und Papa wäre das auch.»
*Namen geändert
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