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Elternkolumne

Will ich Kinder?

Unsere Kolumnistin Joëlle Weil plagten vor ihrer ersten Schwangerschaft grosse Fragen. Beantworten konnte sie diese nicht. Den Sprung hat sie dennoch gewagt.

Die Geburt des ersten Kindes meiner besten Freundin hat etwas mit mir gemacht. Meine Freundin und ich kennen uns seit dem Tag meiner Geburt und seither gibt es uns im Doppel. Wir standen im Leben immer an ähnlichen Punkten. Bereits ihre Schwangerschaft hat mich sehr berührt. Es ist das Erwachsenste, das sie je getan hat, und irgendwie geht diese Schwangerschaft auch mich etwas an. Sie hat dann diesen Jungen bekommen, der mein Herz berührt.

Ich halte den Kleinen, küsse diesen kleinen Kopf, beobachte ihn beim Schlafen. Und so wundervoll ich diese Begegnung auch fand, so froh war ich, dass diese Verantwortung nicht meine ist.

Ich kann duschen, schlafen, essen, wann ich möchte. Ich kann abends weg, nachts weg. Ich kann trinken, rauchen, fernsehen. Ich darf als freie Journalistin arbeiten, ohne den Druck zu haben, eine Familie ernähren zu müssen. Ich mag mein Leben und darf jeden Tag das tun, was ich mag, und keiner kann mir was! Dieses Unantastbarsein ist das Lebensgefühl, das mich seit Jahren begleitet.

Kinderkriegen war bis anhin kein Gedanke, den ich ernsthaft zugelassen habe. Das ist nun anders. Ich bin 31 Jahre alt und habe einen tollen Mann geheiratet. Wie selbstverständlich reden wir über unsere Zukunft mit Kindern.

Wo ist der Kinderwunsch?

Aber: Will ich wirklich Kinder? Oder glaube ich, Kinder wollen zu müssen? Dieses innerste Verlangen nach einem Baby habe ich nie verspürt. Bin ich jetzt «so eine»? «So eine» wie alle? Hochzeit, dann Kinder und das alles in dem Tempo, das die Gesellschaft für mich vorgesehen hat? Dabei finde ich Konventionen gar nicht schlimm. Und ehrlich gesagt: Ich bin bei weitem nicht rebellisch genug, dass ich von mir behaupten könnte, dass Konventionen überhaupt nicht zu mir passen. Was also wühlt mich so auf?

Wenn ich Kinder hätte, dann möchte ich gute Menschen erziehen. Liebenswerte Menschen. Gnädige Menschen. Es ist bestimmt arrogant von mir anzunehmen, dass ausgerechnet ich in der Lage bin, Übermenschen aufzuziehen. Vielleicht ist dieser Anspruch per se die falsche Voraussetzung, Mutter zu werden. Aber die ehrliche Frage, warum wir Kinder kriegen und haben wollen, begleitet mich schon lange. Geht es nur um unser primitives Bedürfnis nach Fortpflanzung? Kinder sind der wohl signifikanteste Fussabdruck, den wir auf dieser Erde hinterlassen. Dieser Fussabdruck soll einer sein, der dieser Erde zugutekommt. Instrumentalisiere ich meine noch ungeborenen Kinder?

Diese Gedanken begleiten mich seit einem Jahr wie ein Hirngespenst. Das Hirngespenst beschallt mich nicht ständig, aber immer wieder: Und dann wäre ich schwanger. Und dann hätte ich ein Kind. Und es könnte das Tollste sein. Vielleicht hätte ich Kinder, die viel reden und viele dieser lustigen Fragen stellen. Ich würde mir den ganzen Tag Sorgen machen und ich würde sie so sehr lieben, auch wenn sie mich um den Verstand bringen.

Dann hätte ich diesen Kinderwagen mit dieser Wickeltasche, deren Zweck ich bis heute nicht verstehe. Warum nimmt man nicht einfach eine bereits existierende grosse Tasche? Je länger ich heute darüber nachdenke, desto banaler scheint mir die Thematik.

Lieber jetzt ein Kind

«Frauen, die keine Kinder haben möchten, wissen das. Frauen, die Kinder haben möchten, wissen es nicht immer», sagte mir einst eine Psychologin. Lieber jetzt Kinder haben anstatt in ein paar Jahren, denke ich mir. Angenommen, ich würde das Thema aufschieben: Was würde ich dann die nächsten Monate oder Jahre tun? Reise nach Indien? Eine TV-Karriere? Ein Buch schreiben? Whisky trinken in Schottland?

Ich merke: Meine Bucketliste ist ganz süss, aber sie hat keine Priorität in meinem Leben. Ich bin zufrieden. Ich mag meinen Alltag mit meinen Hunden und ich habe einen Mann geheiratet, der über ein beachtliches väterliches Potenzial verfügt. «Sollen wir einfach nicht mehr verhüten?», schreie ich ihm eines Abends aus dem Badezimmer zu, als würde ich nach einer neuen Papierrolle bitten. «Warum nicht?», ruft er zurück. Ja ... Warum eigentlich nicht?

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