Elternkolumne
Die Sache mit dem TV in Theorie und Praxis eines Vaters
Von Daniel Fuchs
Ach, diese Glotze! Warum nur, fragt sich unser Kolumnist Daniel Fuchs, lässt er seinen Sohn immer wieder Kindervideos schauen?
Freunde von uns sehen jeweils nach dem Abendessen mit ihren beiden Kindern, 4- und 2-jährig, fern. «Unser Sandmännchen» im deutschen KiKA vor dem Schlafengehen gehört zu ihren Ritualen. Ansonsten gibt es für die Kinder kein Fernsehen. Ausser bei den Grosseltern freilich, die lassen sich ja wie alle Grosseltern sowieso kaum was sagen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Kinder sollen Medien konsumieren, heisst es in Ratgebern. Davor abschirmen bringt in unserer Mediengesellschaft sowieso nichts. Konsens ist auch: Kinder, gerade Kleinkinder, sollen begleitet Medien konsumieren. Und ihrem Alter entsprechende Dosen. Unsere Freunde beherzigen das. Und ich gebe zu, ich mache mir ein schlechtes Gewissen.
Gerade jetzt nagt es an mir. In dem Moment, in dem diese Zeilen entstehen. Wie so viele Texte, erhält auch dieser seine Form auf den letzten Drücker. Die Kinderbetreuung ist nicht organisiert, der Grossvater springt wegen einer anderen Verpflichtung schon am Abend ein.
Unser 4-jähriger Sohn ist ein Einzelkind. Er besitzt viel zu viele Spielsachen, liebt Lego – und immer noch Duplo. Auch kann er sich länger und länger mit Spielen beschäftigen, selbst wenn kein Freund, kein Nachbarskind da ist. Klar aber verlangt er ausgerechnet dann nach einem Spielpartner, wenn der potenziell vorhandene gerade kocht, abwäscht, Rechnungen zu bezahlen begonnen hat oder eben wie jetzt, an einem Text schreibt.
Eigentlich haben wir uns in der Familie auf ein strenges Kindervideo-Regime geeinigt. Meiner Frau und mir steht pro Woche nur ein gewisses Kontingent Kinderfilme zur Verfügung, die wir unserem Sohn zeigen. Hat es sich erschöpft, fällt der Vorhang. Keine Filmchen mehr. Ich gestehe: Die Zahl, die wir vereinbarten, will mir einfach nicht mehr in den Sinn kommen. Schriftlich festgehalten ist sie jedenfalls nicht. Und ich verrechne mich beim Zählen ohnehin. Übrigens habe ich schon länger im Verdacht, dass auch meine Frau keine Strichli-Liste führt.
zvg
Daniel Fuchs (39) ist Redaktor bei CH Media und sieht, auch beruflich bedingt, sehr viel fern. Er lebt mit seiner Familie in Bern.
Mag sein, dass ihr diese Zeilen dereinst zugespielt werden. Wird mir das alles also noch um die Ohren fliegen? Für den Augenblick ist mir das egal. Der Moment hat Priorität: Hauptsache, diese Kolumne füllt sich mit Inhalt und ich werde nicht vom Sohn dabei unterbrochen. Deshalb sitzt er jetzt wo? Richtig erraten, vor der Glotze.
Der Fernseher ist ein zuverlässiger Babysitter. An die Intros von «Paw Patrol» und «Super Wings», Hunde und Flugzeuge, welche Rettungseinsätze lösen oder die Welt erkunden, habe ich mich längst gewöhnt. Hin und wieder erwische ich mich dabei, wie ich die Titelmelodien nachsumme. Und das, obwohl ich noch kaum eines dieser Filmchen ganz gesehen habe. Weder allein noch mit meinem Sohn.
Es gibt sie auf Netflix oder dem Kinderkanal von Youtube. Und der 4-Jährige kennt sich in der Zwischenzeit besser darin aus, wo die Kinderfilme zu finden sind, als ich und meine Frau. In Ratgebern lese ich, Regeln sollen vereinbart werden, die Bildschirmzeit soll nicht andere Tätigkeiten verdrängen. Natürlich übe ich mich in Durchsetzungskraft. Ein Nein ist ein Nein und dem Buben war ziemlich schnell klar, dass der Fernseher nicht einfach so eingeschaltet wird. Trotzdem muss ich zugeben: Ein Ja geht aus Bequemlichkeit schon sehr einfach über die Lippen.
Ich möchte diesen Umgang mit dem Medium Fernsehen gerne als pragmatisch bezeichnen. Doch ist er auch richtig? Wahrscheinlich nicht ganz. Vielleicht wäre mehr Strenge angezeigt. Doch mit wem? Mit dem Jungen? Oder mit mir selber, bei dem die Bildschirmzeit den Tagesablauf komplett dominiert? Und worin liegt denn bitte schön der Reiz, den Fernseher einzuschalten und dann gemeinsam mit dem Kind ein Hundeabenteuer zu schauen, wenn gleichzeitig die Wäsche liegen bleibt und in der Küche der Abwasch wartet oder ein Text korrekturgelesen gehörte.
Es ist mittlerweile ein Reflex: Nach jedem Film kommt ein: «Noch eins!». Und die Verlockung aus Bequemlichkeit ist da, einzuknicken. Aber wer den richtigen Moment erkennt und dann den Fernseher abschaltet, merkt schnell: Das Quengeln des 4-Jährigen ist nur von kurzer Dauer. Alles geht vorbei und bald ist er wieder vertieft im Spiel. Auch wenn es das Imitieren mit Figürchen von «Paw Patrol» ist.