«Als meine beste Freundin in der fünften Klasse für ein Jahr nach Paris ging, brach für mich eine kleine Welt zusammen. Meine Schwester hat mich stark aufgefangen, daran erinnere ich mich gut: Ich verbrachte die grosse Pause nun häufig mit ihr, und sie nahm mich mit, wenn sie etwas mit ihren Freundinnen unternahm. Ich habe sie damals sehr bewundert. Sie war fürsorglich und hatte all diese wunderschönen Kleider, während ich trug, was ihr zu klein geworden war. Wir stritten auch viel, allerdings nie so körperlich, wie ich das heute bei meinen Söhnen erlebe. Dieses Gerangel wie bei einem Rudel junger Wölfe, das gab es bei uns nicht. Als wir älter wurden, fanden wir uns in unterschiedlichen Lebenswelten wieder. Meine Schwester machte eine Ausbildung zur Pflegefachfrau, ich besuchte das Gymnasium und trieb viel Sport, später war ich oft im Ausland.
Seit wir Kinder haben, überschneidet sich unser Alltag wieder mehr, auch wenn wir uns deswegen nicht häufiger sehen, dafür reicht die Zeit einfach nicht. Die älteste Tochter meiner Schwester ist mein Patenkind; sie kommt mich bald im Bundeshaus besuchen, das wollte sie schon lange einmal. Mit meiner Schwester spreche ich selten über Politik, wenn, dann geht es eher um Fragen, die meine Familie betreffen: Was es für die Kinder bedeutet, wenn ich in der Öffentlichkeit stehe, zum Beispiel. Sie ist sehr geerdet, ich schätze ihren Rat. Es ist einfach schön, jemanden zu haben, dem man vieles gar nicht erst erklären muss, jemanden, der einen kennt und bedingungslos annimmt. Manchmal brauchen wir uns nur anzuschauen und schon kriegen wir einen Lachanfall, genau wie früher. Wenn ich dann zu erklären versuche, was gerade so lustig war, versteht das ausser uns niemand.»
Zurück zum Übersichtsartikel Geschwister, ein Leben lang verbunden.