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Wenn die Frau das Geld verdient

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Vorbei die Zeiten, als der Mann seiner Gattin vom Monatslohn ein Haushaltsgeld zahlte, und – war er grosszügig – sogar noch ein Sackgeld. Bei jedem zehnten Paar in Deutschland ist es mittlerweile die Frau, welche die Familie ernährt. In den USA bringt sogar bereits jede zweite den grösseren Teil des Familieneinkommens heim. Für die Schweiz gibt es dazu noch keine Zahlen, doch werden sie mit Deutschland vergleichbar sein. In ihrem Buch «Sprengsatz unter dem Küchentisch» geht Autorin Ingrid Müller-Münch der Frage nach, wie heutige Paare mit der neuen Situation umgehen.
wir eltern: Wieso braucht es Ihr Buch?
Ingrid Müller-Münch: Ich stellte fest, dass unter der offiziellen Verständnisdecke eine Beziehungsrevolution stattfindet, die von der Gesellschaft noch nicht richtig wahrgenommen wurde. Die Frauen preschen vor, die Männer verlieren ihre Jobs, zum Beispiel weil in der Industrie in den letzten Jahren viele auf die Männer zugeschnittene Arbeitsplätze wegfielen. Die neuen Jobs sind auch für Frauen geeignet, und so bleiben Männer zunehmend zurück – oder aussen vor. In vielen Beziehungen hat sich eine Unruhe eingeschlichen, die schambesetzt ist. Ich habe für mein Buch unzählige Paare interviewt. Nur ein einziges durfte ich namentlich nennen, alle anderen mussten anonymisiert werden.
Was genau ist eine Familienernährerin?
Das ist eine Frau, die 60 Prozent oder mehr des Familieneinkommens verdient.
Wer sind diese Frauen?
Ich teile sie in drei Gruppen ein: Erstens Frauen, die vielleicht gar nicht so gut verdienen, nun aber von einem Tag auf den andern zur Haupt- oder Alleinverdienerin werden, weil ihr Mann unfreiwillig den Job verloren hat. Zur zweiten Gruppe zähle ich Frauen, die entweder mehr arbeiten als ihre Männer oder dank ihrer Ausbildung einen besseren Lohn erhalten. Die Dritten erklimmen die Karriereleiter und lassen ihre Männer lohnmässig weit hinter sich zurück.
Sie sprachen von schambesetzter Unruhe. Wo liegt das Problem?
Am schwierigsten ist es bei Arbeitslosigkeit. Wird ein Mann seinen Job los, verliert er gleichzeitig seine Identität. Eine Frau könnte in dieser Situation Hausfrau werden. Für den Mann ist dies aber keine Option. Wäsche waschen, Wollmäuse aus den Ecken saugen – das findet er das Allerletzte. Deshalb wird in solchen Beziehungen der Haushalt häufig zusätzlich noch von der Frau gemacht, nach der Arbeit. Einfacher ist es, wenn der Rollentausch freiwillig gewählt ist. Doch auch hier gibt es Konfliktpunkte.
Welche?
Der grösste Konfliktherd ist bei den allermeisten: das Geld. Plötzlich hat die Frau die Hand auf der Kasse. Damit muss man erst mal klarkommen. Geld bedeutet Macht. Deshalb ist es äusserst wichtig, demjenigen, der nichts oder weniger verdient, die Würde zu belassen, ganz besonders bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit. Es scheint, dass in Beziehungen mit umgekehrten Rollenverteilungen das Geld ein heiklerer Punkt ist.
Woran liegt das? Sind Frauen knausriger?
Frauen haben offensichtlich mehr Mühe, wenn Männer auf ihre Kosten leben. Wir wissen allerdings nicht, wie sich der Mann gefühlt hat, wenn er abends nach einem strengen Tag nach Hause kam und sah, wie seine Frau den Tag mit Kaffee trinken, Geld ausgeben und vielleicht noch etwas Kochen verbracht hat. Das gab sicher auch mal Konflikte oder schlechte Gefühle.
In Ihrem Buch sagen einige Frauen, es würde ihnen Angst machen, Hauptverdienerin oder sogar Alleinverdienerin zu sein, die Verantwortung sei ihnen zu gross. Sind die Frauen ängstlicher als die Männer?
Ich habe mich schon immer gefragt, wie es ein Mann aushält, allein vier Menschen zu ernähren. Das ist ein unglaublicher Druck. Man kann beobachten, dass Männer in wirtschaftlichen Dingen vorsichtiger, ja, fast ängstlicher werden, wenn sie heiraten und die Kinder kommen; sie wollen keinesfalls ihre Stelle verlieren. Allein für eine ganze Familie verantwortlich zu sein, ist keine gute Situation und sollte nicht das Ziel sein. Das spüren die Frauen.
Was sorgt neben dem Geld sonst noch für Konflikte?
Die veralteten Rollenklischees in unseren Köpfen. Die Frau orientiert sich bei der Partnerwahl immer noch am liebsten nach oben, der Mann nach unten. Anders ausgedrückt: Die Frau will Status und Wohlstand, der Mann Schönheit und Jugend.
Trotz Emanzipation und Gleichberechtigung von Mann und Frau?
Eigentlich traurig, ja. Ein Blick auf die Online-Partnerbörsen, wo sich mittlerweile immerhin 30 Prozent der Paare kennen lernen, bestätigt diese These jedoch. Bei Marktführer Parship werden Frauen möglichst mit gleich oder besser verdienenden Männern zusammengebracht, zum Beispiel die Krankenschwester mit dem Architekten. Oberärztin und Gärtner, das hingegen geht nicht. Dies ergab eine Analyse mehrerer Zehntausend anonymisierter Datensätze.
Woran liegt das?
Frauen wollen durch den Mann aufgewertet werden – durch seine berufliche Stellung und sein Einkommen. Sogar wenn sie niemanden brauchen, der sie finanziell unterstützt. Der Mann scheint das nicht nötig zu haben. Sein Wert steigt dafür mit einer jungen, schönen Frau an der Seite.
Was passiert, wenn diese Rollenverteilung anders ist?
Alle Paare, mit denen ich gesprochen habe, sagten, dass sie durch ein tiefes Tal der Tränen gingen. Dass der Mann nicht oder nicht mehr die Stellung hat, die man sich wünscht, muss man aushalten und langsam akzeptieren können. Auch, dass man selbst untaugliche Rollenbilder im Kopf hat. Erst wenn der Mann als Mensch gesehen werden kann, der neben beruflichen auch noch andere Fähigkeiten, Interessen und Bedürfnisse hat, passiert ein Wandel.
Wie gelingt das?
Manchmal ist es das Beste, nach Hilfe zu suchen. Paartherapeuten beschäftigen sich immer häufiger mit dieser Thematik. Oft ist nämlich vordergründig nicht klar, wieso das Paar unzufrieden ist und so viele Konflikte hat.
Gibt es auch Paare, die besser mit der umgekehrten Rollenverteilung zurecht kommen?
Ja. In Künstler- und Freiberuflermilieus fällt es leichter. Hier kann gesagt werden: Ich schreibe ein Buch, oder ich fotografiere. Auch mit Kindern ist es einfacher, denn zu Hause gibt es einiges zu tun und der Mann kann die Rolle des Vaters ausfüllen.
Könnte es für die Männer nicht auch eine Entlastung sein, wenn nach der Familiengründung verhandelt werden kann, wer die Mehrheit des Einkommens verdient?
Auf jeden Fall. Manche Männer sind froh, wenn man sie aussen vorlässt, wenn sie in Ruhe das Haus umbauen, kochen und mit den Kindern in den Wald gehen können. Ganz wichtig bei einer solchen Rollenverteilung: Es braucht mehr Selbstbewusstsein, beim Mann und bei der Frau.
Wie sieht die Zukunft aus?
Die Generation der jungen Männer ist eher schlecht dran. Bei gleicher Qualifikation werden bereits heute vermehrt Frauen eingestellt, denn Unternehmen wollen sich mit einer hohen Frauenquote schmücken, auch auf Kaderebene. Ein Umdenken ist in den Beziehungen nötig.
Was kann die Generation der heutigen Eltern beitragen, damit ihre Kinder es einfacher haben werden?
Dieses Modell vorleben. Mein Sohn kocht zu Hause, weil sein Vater immer schon gerne und gut gekocht hat.
Zur Person
Ingrid Müller-Münch ist Journalistin und Autorin von Theaterstücken und Sachbüchern. Ihr Buch «Sprengsatz unter dem Küchentisch – wenn die Frau das Geld verdient» ist im Klett-Cotta-Verlag erschienen. Müller-Münch ist Mutter eines erwachsenen Sohnes und lebt in Köln.
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