Partnerschaft
Was ein Paar-Workshop bringen kann
Von Marah Rikli und Reto Hunziker
Sich im durchgetakteten Familienalltag auch noch mit der eigenen Partnerschaft beschäftigen? Nach einem eintägigen Workshop weiss unser Autorenpaar: Es lohnt sich.
Kriselt es in der Beziehung oder ist das nur der normale Alltagswahnsinn einer Familie? Das Liebes- und Elternpaar Marah Rikli und Reto Hunziker hat einen eintägigen Paarworkshop besucht. Zunächst etwas skeptisch, danach aber beglückt. Ihre Gedanken dazu haben sie separat notiert, als Sie sagt und Er sagt.
Marah Rikli
Sie sagt
Ich bin kein Pärchen-Abende-Typ. Ich mag auch keine Pärchen-Ferien oder Pärchen-Ausgang. Und trotzdem bin ich hier. In einem Pärchen-Workshop. Mit meinem Ehemann – und mit anderen Paaren. Das Ziel: Unsere Beziehung stärken. Und das ist nötig, denn es kriselt.
Wir sind berufstätige Eltern eines pubertierenden Jungen und eines sieben Jahre alten Mädchens mit einer Beeinträchtigung. Die romantischen Paarabende mit hemmungslosem Sex sind Streitereien über Erziehungsfragen oder Mental-Load-Verteilung gewichen. Doch trotz aller Schwierigkeiten sind wir uns wichtig. Ist die Liebe noch da.
Der Tagesworkshop sei ressourcenorientiert und positiv psychologisch ausgerichtet, hiess es. Ich orientierte mich schon immer eher an dem, was gut läuft. Anders mein Mann: Er ist eher defizitorientiert unterwegs. Oder positiver gesagt: Seine Ansprüche sind hoch. Zu Hause reden wir daher vor allem von Problemen und nicht davon, was uns verbindet. Wobei: Daran bin wohl eher ich schuld, denn über Probleme reden, das ist mein Part. Schweigen seiner.
Es geht also los: Vor uns sitzen Felizitas und Amel. Sie ist Psycho- und Paartherapeutin. Er Positive Coach. Beide strahlen, witzeln, wirken eingespielt – sie verbindet nicht nur dieser Workshop, sondern auch ihre Ehe, ihre Patchwork-Familie und das Haus, in dem wir hier im Wintergarten mit etwa zehn anderen Paaren zusammengefunden haben.
Marah Rikli
Zuerst gibt es Theorie. Zum Beispiel über gewaltfreie Kommunikation (ich stelle fest: Ich falle meinem Mann zu oft ins Wort). Wir lernen, was ein Beziehungsdreieck ist (auf jeden Fall keine Dreiecksbeziehung) und Wachstumsprozesse (eine Krise ist auch eine Chance – wir haben also Glück). Und bei allem wird klar: Es ist wichtig, dem anderen Raum zu geben, sich auf das Positive zu fokussieren und sich Zeit für die Beziehung zu nehmen. Dann machen wir Übungen, schreiben auf, was uns am anderen gefällt.
Ich schaue meinen Mann an. Noch immer gefällt er mir. Ich bin gerührt, berühre seine Hand, es tut gut, sich über ihn Gedanken zu machen, darüber, was uns zusammenführte. Mir wird klarer: Ich vermisse diese Zeit, als er mir mit der Gitarre vorspielte, wir stundenlang frühstückten, uns von unserem Leben erzählten.
Die nächste Aufgabe: Drei Songs heraussuchen, die wir mit guten Momenten unserer Beziehung verbinden. Da haben wir massenhaft zu liefern – unser erstes Jahr lagen wir vor allem zusammen im Bett und hörten Musik. Andere Paare kommen auf keine gemeinsame Musik, ich bin glücklich, dass wir welche haben. Ein bisschen ist es wie Zauberei. Er und ich – eigentlich passt das doch immer noch?
Nach einer Pause treffen wir uns alle draussen in wunderschöner Landschaft. Mein Mann wird gebeten, mir die Augen zu verbinden. Ich bin nun also blind, er führt mich an der Hand. Einfach leiten lassen und schauen, was passiert, lautet der Auftrag. Es ist ungewohnt, einen Weg blind zu laufen, doch ich kann mich gut hingeben. Rieche den Wald, spüre den Wind, richte meine Aufmerksamkeit auf meine Füsse, damit ich nicht stolpere, und verlasse mich auf die Führung meines Mannes.
Viel zu schnell ist alles vorbei, jetzt ist mein Mann dran. Ich nehme ihn an der Hand und ziehe los, er hingegen ist unsicher, will weniger schnell gehen als ich. Er braucht Zeit, macht Schritt für Schritt, vorsichtig, überlegt. Zuerst merke ich, wie anstrengend das Führen ist, dann bin ich irritiert. Misstraut er mir? Doch plötzlich habe ich das Gefühl, ihn besser zu verstehen: Wie anstrengend das zeitweise für ihn sein muss mit mir.
Er, der gerne plant, Sicherheit braucht und überlegt handelt, und daneben stehe ich, die ständig die Wohnung umstellt, neue Projekte anreisst, reisen will und spontan die ganze Familie einlädt. Wir teilen unsere Erkenntnisse danach in der Gruppe, ich fühle mich versöhnlich. Zum Schluss sollen wir unserer Beziehung einen Filmnamen geben. Wir schreiben den Titel auf unseren Notizblock und lesen ihn dann laut vor. «Love and Hate», sage ich und muss lachen.
Am Ende des Tages bin ich fix und fertig wie nach einer Weiterbildung oder einer Wanderung. Mein Mann und ich steigen zusammen in den Zug Richtung Zürich, die Tochter ist diesen Abend noch bei den Grosseltern, zu Hause legen wir uns einfach ins Bett, halten uns in den Armen und hören einen «unserer» Songs. «Gut wars, oder?», frage ich ihn. «Ja, war gut», sagt er.
Reto Hunziker
Er sagt
Wir machen einen Paarworkshop. Zusammen mit anderen Paaren. Denn: An einer Beziehung muss man arbeiten, jederzeit und nicht erst, wenn es zu spät ist. So hatte ich jedenfalls das Prinzip verstanden. Initiiert hat das natürlich meine Frau. Sie sieht die Probleme viel schneller kommen als ich.
Ich hätte zu diesem Zeitpunkt kaum von einer Krise gesprochen, sondern vom gewöhnlichen Alltagswahnsinn einer Familie in extremis, welcher aber ganz klar das Wirgefühl von uns Eltern auf die Probe stellt. Von mir aus wäre ich also nicht auf die Idee gekommen, einen solchen Workshop mitzumachen – aber klar, warum nicht. Lieber eine Präventivmassnahme, solange es noch okay läuft, als eine Therapie, wenn bereits die Fetzen fliegen.
Zuerst einmal ist da ein herzlicher und sympathischer Empfang, sowohl von den Gastgebern als auch von den anderen Gästen. Die Stimmung ist gut, das hilft. Nach einer kurzen Vorstellrunde sollen wir uns «Moments of excellence» von uns als Paar aufschreiben. Mir fallen einige tolle Momente ein, Kinder kommen dabei nie vor. Ist es so einfach? Sind es vor allem die Kinder, die unser Paardasein strapazieren?
Kurzer Theorieblock: Wenn wir kommunizieren, findet 20 Prozent auf der Sachebene statt, wie wir etwas sagen, machen 80 Prozent aus, also Tonalität, Gestik etc. Ein anderer Mann spricht aus, was ich nur zu denken wage: «Also wenn ich spreche, dann sind das 80 Prozent Sachebene.» Gemurmel, Gelächter. Ich bin dann doch froh, habe nicht ich es gesagt.
Meine Frau und ich schreiben in dasselbe Notizbuch. Sie notiert: Gute Beziehung ist eine Mischung aus Sachebene und Gefühlsebene. Ich notiere: Co-Evolution – jeder muss sein Muster/Schema erkennen. Dazu müsste man aber nicht nur in einen Paarworkshop, sondern in eine 2:2-Therapie. Schade, mein Muster würde mich schon interessieren.
Wir bekommen aber auch sehr praktische und sofort anwendbare Tipps wie: Formuliere dein Anliegen als Wunsch und nicht als Vorwurf! Oder: Führt ein Unfallprotokoll nach einem Streit, der eskaliert ist! Sowieso lautet die Devise «Teilt euch mit!». Etwas, worin ich sicher nicht gut bin, weil ich immer fürchte, was ich mitteile, könnte zu einem Streit führen.
Vielleicht ist der aber eh unausweichlich, insofern könnten wir ihn genauso gut einplanen: Das Leiterteam schlägt vor, «Teamsitzungen» abzuhalten (in denen man Organisatorisches klärt) oder «Wetterberichte» (Wie geht es mir und warum geht es mir so?).
Reto Hunziker
In der Mittagspause unterhalte ich mich mit den anderen Teilnehmenden und bin beruhigt, dass sie von ähnlichen Situationen und Problemen erzählen wie ich. Es folgt der spannende Blinde-Kuh-Spaziergang. Später wird meine Frau sagen, ich sei so zögerlich gelaufen, ob ich ihr denn nicht vertraue. Ich erwidere: Es ging nicht um Geschwindigkeit, sondern darum, anzukommen. Geführt fühlte ich mich den ganzen Weg über wohl, habe es fast schon genossen. Zu führen andererseits empfand ich als anstrengend.
Zurück in der Runde merke ich: Selbstreflexion ist enorm wichtig in der Paarpflege. Wie fühle ich mich? In welcher Verfassung bin ich? Was nagt an mir? Wer solche Fragen für sich beantworten und kommunizieren kann, macht es seinem Partner einfacher, ihn zu verstehen.
Und immer wieder die positive Sichtweise. Die Gedanken weglenken von dem, was einen am anderen stört, zu dem, was einen verbindet. Mir fällt es leicht, Stärken unserer Beziehung aufzuzählen oder auch Dinge, für die ich meiner Frau dankbar bin. Und so simpel dieses Rezept scheint, so effektiv ist es: Am Ende bin ich stolz auf uns, auf das, was wir erreicht und durchgestanden haben.
Fazit: Eine Beziehung bedeutet Arbeit – eine Beziehung so zu halten, dass sie bereichernd und erfüllend ist, hat noch mehr Arbeit zur Folge. Arbeit, die sich lohnt, die man aber, wenns brennt, gerne unterschlägt.
Am Ende kommt die Übung, die mir am meisten entspricht. Wir sollen unsere Beziehung als Film-Titel mit Teaser-Text verkaufen. Ich schreibe: «(Living the hell of) Patchwork-Paradise. Sie lieben sich, sie streiten sich. Sie sind erfüllt, sie sind erschöpft. Was sie erlebt haben, war wunderbar. Wunderbar anstrengend. Was wohl als Nächstes kommt?»
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