Elternkolumne
Simon Chen über seine Rolle als Hausmeister
Echt jetzt? Kolumnist Simon Chen hat das Kinderzimmer doch erst gerade gestaubsaugt und schon siehts wieder aus wie bei Hempels unterm Sofa! Wer nicht hören will, muss fühlen, sagt er sich.
Es gibt Staatsordnung, Bauordnung und Hausordnung. Kinder und Ordnung aber sind Gegensatzpaare. Dass ein Kinderzimmer so picobello aussieht wie in den Möbelhaus-Katalogen, ist reine Augenwischerei. In der Realität sind Kinderzimmer Sauställe, und dass ein Kind von sich aus aufräumt, wäre ein Grund zur Abklärung.
Trotzdem stört mich die Unordnung meiner Mädchen. Der Spruch «Ein jedes Ding an seinem Ort, erspart viel Müh, manch böses Wort», ist jedoch gleichermassen wahr wie wirkungslos. Dass CDs nach dem Hören zurück in die dazugehörige Hülle gehören oder Regale und Schränke dafür vorgesehen sind, Sachen darin zu verstauen, ist Kindern nicht klarzumachen.
Dafür liegt Unrat statt im Papierkorb 30 Zentimeter daneben auf dem Boden, welcher vor lauter Kleidungsstücken nicht zu sehen ist. Was meine Töchter im öffentlichen Raum nie machen, nämlich Abfall achtlos auf die Strasse werfen, tun sie in ihrem Reich ungeniert, sodass sich der arme Abfalleimer die Existenzfrage stellen muss.
Es heisst, die beste Erziehung sei das Vorbild, entscheidend sei, was du den Kindern vorlebst. Mit Verlaub, aber das ist in diesem Bereich Quatsch! Ich halte in den übrigen Räumlichkeiten meiner Wohnung Ordnung, und die Mutter der Kinder, bei der sie die andere Hälfte der Woche sind, auch. Von uns haben sie ihren Sinn für Unordnung also nicht.
Damit ich das Zimmer meiner Gören staubsaugen kann, muss ich sie jeweils bitten, erst mal aufzuräumen. Und obwohl sie aus jahrelanger Erfahrung wissen, dass sie letztlich nicht darum herumkommen, heisst es jedes Mal «Nöd jetzt», «Ja, aber spöter», «Morn», sodass ich gezwungen bin, vom Bitten zum Befehlen zu wechseln.
Mir ist nicht begreiflich, warum Kinder nicht begreifen, dass man etwas Unvermeidliches am besten gleich erledigt, denn es würde Energie sparen und Ärger ersparen. Bei allen Beteiligten.
Eine Zeitlang spurten meine Mädels schneller; ich hatte mit ihnen einen Deal: Nach erfüllter Pflicht durften sie ein Musikvideo auf Youtube anschauen (sie haben noch kein eigenes Handy). Diese pädagogisch fragwürdige Belohnungsstrategie versandete zum Glück irgendwann. Aber die Unordnung blieb.
Was man auch sagt: Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. Kinder lernen vieles selber, wenn man sie lässt, sie müssen ihre Erfahrungen selber machen.
Gesagt, getan, letztes Jahr habe ich ein Experiment gewagt: Statt meine Kinder permanent zu ermahnen, habe ich zu Beginn des Schuljahres angekündigt, vorderhand nichts mehr zu sagen; sie könnten in und mit ihrem Kinderzimmer tun und lassen, was sie wollten, ich kümmerte mich nicht mehr darum.
Mit der Konsequenz, dass ich auch nicht mehr staubsaugen würde, oder erst dann, wenn das Zimmer in «staubsaugwürdigem» Zustand sei. Diese Laissez-faire-Politik verband ich mit der Hoffnung, dass sie es nach ein paar Wochen in ihrem vermüllten, verstaubten Saustall nicht mehr aushalten und von selbst Abhilfe schaffen würden.
Statt den Abwart zu spielen, habe ich also abgewartet... Nach vier Wochen habe ich den Versuch verlängert, man soll den Kindern ja Zeit geben...
Letztlich dauerte das Experiment sieben Wochen, von den Sommer- bis zu den Herbstferien, und die Bilanz lautete: gescheitert. Die Unordnung im Zimmer war schnell angewachsen und hatte sich bald auf hohem Niveau eingepegelt. Und bereitete ihren Bewohnerinnen offensichtlich keine Probleme. Kinder mögen Tiere, auch Herden von Staubmäusen.
Ernüchtert kehrte ich zu meiner Rolle als Hausmeister zurück. Immerhin ein Job, den ich problemlos im Homeoffice ausüben kann...