Gesellschaft / Kindercasting
«Raspelkurze Fussballerfrisuren kommen nicht gut an»
Von Bettina Leinenbach
zvg
Die Schauspielerin Claudia Mai arbeitet als freischaffende Casterin. Sie lebt mit ihren beiden Kindern (9 und 11) und ihrem Mann im Zürcher Oberland.
«wir eltern»: Claudia Mai, Sie casten seit vier Jahren Babys, Kinder und Jugendliche für Werbespots und Filmproduktionen. Wie sind Sie dazu gekommen?
Claudia Mai: Das war nicht geplant, ich bin, wie man so schön sagt, reingerutscht. Vor vier Jahren half ich einem Bekannten us. Das lief so gut, dass bald weitere Anfragen kamen. Da ich ausgebildete Schauspielerin bin und schon viele Jahre im Beruf arbeite, ist mir klar, was die Regie möchte. Als zweifaches Mami weiss ich ausserdem, wie die Kids und natürlich auch ihre Eltern ticken.
Wie läuft der Auswahlprozess ab?
Die Produktionsfirma meldet sich mit grundlegenden Infos. Ein Beispiel: Werbespot für eine Versicherung, gesucht werden zwei Kleinkinder. Ich gehe in Ruhe meine Kartei durch und mache zirka 50 Vorschläge. Ein Teil der Familien wird später zum eigentlichen Casting eingeladen. Ich frage in Eigenregie oft noch zwei, drei andere Eltern an. Manchmal sind gerade die Überraschungskandidaten besonders überzeugend.
Wie geht es weiter?
Beim Casting machen wir von den Kindern Probeaufnahmen. Meist dürfen sie auch kleinere Szenen spielen. Später wird das Material gesichtet. Wenn sich die Produktionsfirma, die Regie und der Kunde entschieden haben, melde ich mich bei der entsprechenden Familie mit allen Details. In der Regel kommt eine Zusammenarbeit zustande.
Wie kommen die Kinder und Jugendlichen in Ihre Kartei? Sprechen Sie Eltern gezielt an?
Das würde ich gerne, mache das aber so gut wie nie, weil mir dazu der Mut fehlt, oder weil ich mit meiner eigenen Familie unterwegs bin. Zum Glück melden sich die Leute meist bei mir, was ich sehr schätze. Es sind Bekannte meiner Bekannten oder Menschen, die mir über die sozialen Netzwerke folgen, und die auf meine dort veröffentlichten Aufrufe reagieren. Mein ganzer Freundeskreis steckt irgendwie auch in der Kartei. Mittlerweile habe ich über 1000 Kinder, Jugendliche und Erwachsene gelistet.
Verraten Sie uns, welchen Typ Kind die Produktionsfirmen gerade besonders gerne buchen?
Die Kleinen müssen weder extrem hübsch noch aussergewöhnlich herzig sein – obwohl das natürlich nicht schadet. Wichtiger ist die Ausstrahlung. Sommersprossen sind super, Zahnlücken stören nicht. Bei den Jungs kommen etwa längere Haare super an, raspelkurze Fussballerfrisuren hingegen nicht. Mädchen dürfen übrigens gerne wilder sein. Michel aus Lönneberga und Pippi Langstrumpf statt Mini-Ronaldo und kleine Prinzessin, so könnte man es zusammenfassen.
Gucken Sie sich auch die Eltern an?
Immer. Ich «caste» Mami und Papi indirekt mit. Auch hier gilt: Je normaler und unaufgeregter diese sind, umso besser. Ich finde es sehr wichtig, dass die Kinder Spass bei der ganzen Sache haben. Es kommt zwar selten vor, aber manchmal erlebe ich, dass Familien nur zum Casting kommen, weil die Mutter das so will. Das sind denkbar schlechte Voraussetzungen.