Den Pinguin kann ich auswendig. Das Krokodil auch. Wer zum gefühlt tausendfünfhundertsten Mal die Schlieremer Chind aus dem Zoo hat singen hören, ist da ziemlich sattelfest. Ich kenne die Baumaschinen von Baumeister Bob mit Namen, weiss, wodurch sich die Raupe Nimmersatt gefressen hat und wie nervig Globis Stimme sein kann. Wer Kinder hat, kommt immer wieder ins Kollateralvergnügen zahlreicher Kindersendungen, -lieder und -bücher. Das macht mich ab und zu nostalgisch, zum Beispiel, wenn ich ein Petzi-Heft in die Finger bekomme. Meistens wird dieses Gefühl aber durch die vom Kind gewählte Lautstärke, Wiederholung oder Intensität des Konsums abgetötet.
Was bleibt, ist die Feststellung, dass zwischen kindgerechter Unterhaltung und Debilität nur ein schmaler Grat liegt. Kindern macht das nichts aus. Bei mir hingegen, wo sich in 38 Jahren jede Menge Hintergrundhalbwissen angesammelt und ein starker, fast schon neurotischer Hang zur Pedanterie herausgebildet hat, wirft der Kinderkram viele Fragen auf.
Nehmen wir den Reim, den wir zum Beispiel zum Fingernägelschneiden unseren Kindern vorsagen respektive vorsetzen; eine Unzulänglichkeit sondergleichen (ins Hochdeutsche übersetzt): Das ist der Daumen. Der hier schüttelt die Pflaumen. Dieser hebt sie auf. Der trägt sie heim. Und der Kleinste isst sie alle ganz allein. Was soll das? «Das ist der Daumen.» Ja schön, und was tut er? Alle anderen Finger werden nicht namentlich genannt, haben stattdessen eine Aufgabe, einen Zweck – und sei es auch nur, die Pointe zu liefern. Nicht so der Daumen, der ist einfach. Wie ungerecht. Haben wir hier etwa eine Zweiklassengesellschaft? Bloss weil man der dickste Finger ist und aus der Reihe tanzt, braucht man nichts zu tun? Was soll das denn für eine Botschaft an unsere Kinder sein?
Anderes Beispiel: Meine Tochter hat zwei grosse Bücher von Ravensburger. Die Titel: «Ich bin der kleine Hund» und «Ich bin das kleine Kaninchen». Bei beiden steht als Untertitel: «Meine erste Vorlesegeschichte.» Das ist doch paradox. Ist die eine deine erste Vorlesegeschichte, kann es die andere nicht mehr sein. Wo bleibt da die Stringenz?!