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Mütter können nicht überall sein
Von Bloggerin Nathalie Sassine-Hauptmann

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Mit ihrem unsäglichen Artikel «Mütter als Kolleginnen? Mehr Fluch als Segen!» auf brigitte.de hat sich das Frauenmagazin diese Woche disqualifiziert. Diesen Clickbait-Journalismus zu unterstützen, in dem die Redaktion das verallgemeinernde Mütter-Am-Arbeitsplatz-Bashing unterstützt, ist nicht nur zutiefst antifeministisch. Es ist auch unprofessionell. Das ist alles, was ich dazu sagen möchte.
Vielmehr überlege ich mir in letzter Zeit, was die Schule von mir als Hilfskraft denken mag. Denn wir Eltern werden ja immer öfter gebeten (um nicht zu sagen gedrängt), in der Schule mit anzupacken. Ob es das Schnitzen am Räbeliechtli-Umzug, das Mithelfen beim Sporttag oder auch das Fahren zur Eisbahn ist: Die Schule geht heute offenbar davon aus, dass Eltern (und damit meine ich Mütter) Zeit haben, während der Büro-Öffnungszeiten die staatlichen Bildungsstätten zu unterstützen.
Bemerkenswert ist es auch deshalb, weil die Generation unserer Eltern nicht mal einen Bruchteil der Zeit gebeten wurde, an schulischen Veranstaltungen mitzuhelfen. Meine Mutter kann sich an kein einziges Mal erinnern, an dem sie antreten musste, um uns Kindern beim Znüni-machen oder Staffettenlauf zu unterstützen. Und sie war Vollzeit-Hausfrau. Wie viele Mütter damals. Sprich: Vor 30 Jahren hätte man eher davon ausgehen können, dass Mütter tagsüber Zeit haben.
Heute aber, wo doch die Mehrheit der Mütter (63%) Teilzeit arbeiten, sollte man meinen, dass auch die Schule dem Rechnung trägt. 17% arbeiten ja sogar Vollzeit, wie 90% der Väter auch. Wieso glaubt die Ausbildungsstätte meiner Kinder also, ich (zu den 17% gehörend) hätte Zeit (ganz zu schweigen von der Lust)?
Ich lebe auf dem Land. Und hier gibt es viele Mütter, die sich diese Zeit nehmen (wollen), ihre Kinder ins Schulschwimmen begleiten, bei der Schulreise mit dabei sind und gar den Elternrat tatkräftig unterstützen. Wir haben sogar ein paar Väter, die das tun. Schön. Und eigentlich ist es mir grundsätzlich egal, ob man mich für eine Rabenmutter hält, wenn ich zum x-ten Mal absage, beim Sporttag mitzuhelfen.
Was mir nicht egal ist: Dass meine Tochter sieht, wie andere Mütter immer wieder dabei sind. Und sie fragen «Und wo ist denn dein Mami? Muss sie wieder arbeiten?» Ja, meine Kleine hätte mich sicher gerne öfter dabei. Das geht aber nicht, sie weiss und akzeptiert das. Deshalb können sie und ich auf solche Bemerkungen verzichten.
Es wäre wirklich schön, wenn sich sämtliche Institutionen, die mit Müttern rechnen, etwas auf das heutige Zeitalter besinnen würden. Das nähme den Druck von uns Berufstätigen, gerade auch, weil man uns offenbar schon am Arbeitsplatz für unzumutbar hält. Fakt ist: Wir können nicht überall sein. Und wollen es vielleicht auch nicht.

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Nathalie Sassine-Hauptmann (1973) gehört zu den Müttern, die ihr schlechtes Gewissen wie ein Baby mit sich rumtragen. Dennoch würde sie ihren Beruf nie aufgeben. Mit ihrem Buch «Rabenmutter - die ganze Wahrheit über das Mutterwerden und Muttersein» spricht sie vielen berufstätigen Müttern aus der Seele. Denn als Unternehmerin weiss sie, dass ihre Kinder sie zwar glücklich machen, aber erst ihr Job ihr den Ausgleich garantiert, den sie braucht. Sie führt sowohl ihr Familienleben als auch ihre Firma mit viel Leidenschaft und macht sich in diesem Blog Gedanken zur Vereinbarkeit von beidem. Und sie hat keine Angst davor, sich eine Feministin zu schimpfen. Alle Blog-Beiträge von Nathalie Sassine-Hauptmann finden Sie hier.