Beruf und Mutterschaft – Diskriminierung
«Diskriminierungen sind unsere häufigsten Fälle»
wir eltern: Weshalb gelangen so viele Frauen an Ihre Schlichtungsbehörde?
Susy Stauber-Moser: Wir haben keine Erklärung, weshalb seit einigen Jahren die Diskriminierungen, die schwangere und vom Mutterschaftsurlaub zurückkehrende Frauen betreffen, unsere häufigsten Fälle sind. Früher waren es Begehren wegen Lohnungleichheit oder sexueller Belästigung.
Was ist das häufigste Problem?
Oft kündigen Arbeitgebende einer Schwangeren in der Probezeit oder einer Mutter nach dem Mutterschaftsurlaub.
Das ist nicht rechtens?
Nein, das geht nicht. Nach Obligationenrecht wäre dies möglich, aber nach Gleichstellungsgesetz nicht. Laut Gleichstellungsgesetz ist eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts oder in Zusammenhang mit Schwangerschaft oder Mutterschaft nicht erlaubt. Eine Kündigung wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft ist diskriminierend. Wir können sie zwar nicht rückgängig machen. Aber die betroffene Frau hat Anspruch auf Entschädigung von einem bis sechs Monatslöhnen. Ein Arbeitgeber darf einer Schwangeren in der Probezeit nur kündigen, wenn er Leistungs- oder Verhaltensvorwürfe an sie hätte, die er aber belegen müsste. Das Gleiche gilt für eine Kündigung nach dem Mutterschaftsurlaub. Die Mutter hat grundsätzlich Anspruch darauf, an ihrer bisherigen Stelle weiterarbeiten zu können.
Hat eine Mutter das Recht, ihre Vollzeitstelle auf Teilzeit zu reduzieren?
Nein. Aber der Arbeitgeber muss ihren Antrag auf Reduktion wohlwollend prüfen und bewilligen, wenn dies betrieblich möglich ist. In Verwaltungen bestehen teilweise Regelungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Da kann man Teilzeitarbeit besser einfordern.
Was für Unannehmlichkeiten erleben diese Frauen sonst noch?
Manche Arbeitgebende stufen die Frauen in ihrer Funktion herab oder teilen ihnen eine neue Arbeit zu, meist mit der Begründung, sie könnten die bisherigen Aufgaben nicht mehr ausführen. Dies geschieht vor allem bei Pensenreduktionen. Bei anderen treffen Arbeitgebende keine klaren Abmachungen zur gewünschten Pensumsreduktion oder den unbezahlten Urlaub im Anschluss an den Mutterschaftsurlaub. Laut Gleichstellungsgesetz sollten sie – falls betrieblich möglich – Hand dazu bieten.
Welche Berufsfrauen erleiden am häufigsten Jobprobleme in der Schwangerschaft?
Es kann grundsätzlich alle treffen. Aber im Allgemeinen haben Frauen, die ihre Stelle neu angetreten haben, mehr Schwierigkeiten. Arbeitgebende sind eher bereit, für eine bewährte Angestellte nach guten Regelungen zu suchen.
Welche Lösungen gibt es im Konfliktfall?
Meist kommt es zu Entschädigungen wegen diskriminierender Kündigung. Manchmal machen Arbeitgebende die Kündigung rückgängig und sagen, sie hätten nicht gewusst, dass dies nicht rechtens ist.
Wann empfiehlt sich eine Klage?
Sagt die Schlichtungsbehörde den Parteien, die Diskriminierung sei glaubhaft und verweigert die Arbeitgeberin eine angemessene gütliche Einigung, lohnt es sich, den Fall ans Gericht weiterzuziehen. Vorausgesetzt, die Frau ist mit der Schlichtungsvereinbarung unzufrieden.
Welche Gründe haben die Diskriminierungen?
Oft ist den Arbeitgebenden nicht bewusst, dass ihr Handeln unrechtmässig ist. Auch die schwierige Marktsituation spielt hinein. Unternehmen müssen Personalkosten senken, die Effizienz steigern. Sie scheuen die Umtriebe und Kosten, die eine Schwangerschaft beinhalten kann.
Die Kosten für den Personalausfall deckt doch die Mutterschaftsversicherung.
Ja. Allerdings nur bis zu einem Maximalbetrag, jedenfalls keinen Kaderlohn. Und nur vierzehn Wochen, während die meisten Arbeitgebenden mit ihren Mitarbeiterinnen vertraglich insgesamt sechzehn Wochen Lohnfortzahlung vereinbart haben.
Was raten Sie Arbeitgebenden für den Umgang mit schwangeren Mitarbeiterinnen?
Wenn eine Mitarbeiterin ihre Schwangerschaft meldet, sollten sich Arbeitgebende wohlwollend und kooperativ verhalten. Sie sollten bereit sein, gewünschte Pensenreduktionen und unbezahlten Urlaub klar zu regeln und dies schriftlich festzuhalten. Eine Schwangere darf aber nicht unter Druck gesetzt werden, wenn sie noch nicht weiss, wie und ob sie nach dem Mutterschaftsurlaub weiterarbeiten möchte. Im Übrigen haben Frauen Anspruch darauf, während der Schwangerschaft normal zu arbeiten, falls sie dies können und wollen. Arbeitgebende dürfen sie nicht gegen ihren Willen freistellen, was leider ab und zu geschieht.
Susy Stauber-Moser präsidierte die Schweizerische Konferenz der Schlichtungsstellen nach Gleichstellungsgesetz und ist die Vorsitzende der Zürcher Schlichtungsbehörde nach Gleichstellungsgesetz. Die Rechtsanwältin ist seit 1996 vorwiegend als Mediatorin tätig.
www.schlichtungsbehoerde-glg-zh.ch
Aktualisiert Mai 2017
Rechtlicher Schutz für Schwangere und Mütter
- Kündigung Der Arbeitgeber darf der Mitarbeiterin ab Beginn der Schwangerschaft bis 16 Wochen nach der Geburt nicht kündigen.
- Arbeitszeit Schwangere und Stillende dürfen höchstens 9 Stunden täglich arbeiten.
- Nachtarbeit Einer schwangeren Nachtarbeiterin muss eine gleichwertige Tagesarbeit angeboten werden; wenn nicht, erhält sie 80 Prozent des Lohns.
- Pausen Schwangere und Stillende müssen sich hinlegen und ausruhen können.
- Arbeit im Stehen Ab dem 6. Monat darf die Schwangere nur noch vier Stunden lang im Stehen arbeiten.
- Akkord- oder taktgebundene Arbeit Diese Art der Tätigkeit ist grundsätzlich nicht erlaubt.
- Lasten Bis zum 6. Monat darf die Schwangere höchstens 5 kg regelmässig oder 10 kg gelegentlich tragen. Danach sind nur bis 5 kg erlaubt.
- Bewegungen Schwangere und Stillende dürfen keine ermüdenden Bewegungen und Körperhaltungen machen, und zudem dürfen sie weder Stössen noch Erschütterungen ausgesetzt sein.
- Wärme/Kälte Arbeiten unter –5° C oder über +28° C oder bei Nässe sind verboten.
- Lärm Über 85 Dezibel ist unzulässig.
- Passivrauchen Führt in der Regel zum Beschäftigungsverbot.
- Chemikalien und Mikroorganismen Diese dürfen zu keiner Schädigung von Mutter und Kind führen.
- Strahlung Stillende dürfen nicht mit radioaktiven Stoffen arbeiten, Schwangere nur beschränkt.
- Lohnfortzahlung Erhält die Schwangere, wenn sie der Arbeit aus gesundheitlichen Gründen (Arztzeugnis) fernbleibt.
- Beschäftigungsverbot Die Mutter darf bis 8 Wochen nach der Geburt nicht arbeiten.
- Mutterschaftsversicherung Die Mutter erhält während 14 Wochen nach der Niederkunft 80 Prozent ihres Lohns vom Staat bezahlt.
- Stillen Stillen im Betrieb gilt als volle Arbeitszeit, ausserhalb zu 50 Prozent.
Tipps für Schwangere bei Jobproblemen
Wer in der Schwangerschaft oder nach dem Mutterschaftsurlaub Schwierigkeiten mit dem Chef oder Arbeitgeber bekommt, geht am besten schrittweise vor:
- Das persönliche Gespräch mit dem Vorgesetzten suchen, eventuell mithilfe von Mamagenda.ch, einem interaktiven, kostenlosen Tool von Travail.Suisse.
- Die Personalabteilung der Firma oder den Vorgesetzten des Chefs einschalten.
- Die Gewerkschaft oder das lokale oder kantonale Gleichstellungsbüro fragen.
- Sich an die kantonale Schlichtungsbehörde nach Gleichstellungsgesetz wenden (www.sks-coc.ch, Schlichtung gratis).
- Klage beim Arbeits- oder Bezirksgericht einreichen (bis zum Streitwert von 30'000 Franken gratis).