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David Bröckelmann, 44 mit Stefan, 47 und Eva, 49

Geschwister / Familie

Den Bruder gemeinsam tragen

David Bröckelmann (44) ist Schauspieler und Kabarettist und verleiht dem Kasperli seit einiger Zeit eine neue Stimme. Sein Bruder Stefan ist drei, seine Schwester Eva fünf Jahre älter als er. David Bröckelmann ist verheiratet und wohnt mit seiner Frau in Binningen BL, wo auch seine Schwester zu Hause ist. Sein Bruder ist autistisch und lebt in einer Wohngruppe in Liestal.

«Als Jüngster hatte ich am meisten Narrenfreiheit von uns dreien, keine Frage. Für meine Schwester bedeutete das oft: Ich wollte irgendetwas, was, weiss ich nicht mehr, und sie musste es mir wohl oder übel geben. Weil mein Bruder die Werktage im Heim verbrachte und nur am Wochenende und in den Ferien nach Hause kam, erlebte ich eigentlich zwei Kindheiten parallel, zu zweit und zu dritt. Seltsam fand ich es nie, dass mein Bruder anders war, das war einfach so. Die Art, wie er sich gab und sprach, gehörte deshalb so selbstverständlich in mein frühes Parodienrepertoire wie die Eigenarten anderer Menschen um mich herum.

Erst in der Pubertät genierte ich mich manchmal für ihn, etwa, wenn er mitten auf der Strasse die Hosen runterliess. Heute sage ich ihm dann einfach, komm, wir gehen ins Gebüsch, dort kannst du pinkeln. Vielleicht haben wir früher weniger Ausflüge und Reisen unternommen als andere Familien, aber als Einschränkung empfand ich das nie. Wir hatten einen grossen Garten und den Wald ganz in der Nähe. Eigentlich ziehe ich es heute noch vor, untermeinem Apfelbaum ein Buch zu lesen statt in die Ferne zu reisen. Als ich klein war, passte meine Schwester meistens auf unseren Bruder auf, später übernahm ich diese Rolle; ich war zehn oder elf Jahre alt, als ich ihn am Montagmorgen jeweils vor der Schule zum Taxi brachte. Seit dem Tod unserer Eltern bin ich auch der Vormund meines Bruders. Dazu gehört, alle zwei Jahre einenBericht für die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde zu schreiben, ich tausche mich dabei immer auch mit meiner Schwester aus. Wir tragen das zusammen, und sie lebt noch heute nur einen Steinwurf von mir entfernt. Ich glaube, unsere Kindheit hat unser Einfühlungsvermögen für andere Menschen fest geprägt, und ich bin dankbar für diese Eigenschaft. Manchmal kann es aber auch etwas mühsam sein, wenn man immer versucht ist, für alle Verständnis aufzubringen.»


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