Weil sein Sohn sich gerne wie ein Mädchen kleidet, zieht der deutsche Autor Nils Pickert ebenfalls Röcke an. Die Bilder der beiden gingen um die Welt.
wir eltern: Herr Pickert, Sie machen im Rock weltweit Schlagzeilen. Präsentieren Sie sich gerne als Lachnummer?
Nils Pickert: Ich habe nicht geplant, mit diesem Bild um die Welt zu gehen. Das ist mir zufällig passiert. Aber natürlich mache ich mich damit auch zum Affen. Die Menschen haben jedes Recht, mich und meine Entscheidungen zu hinterfragen.
Worum geht es Ihnen denn?
Darum, dass zumindest mein Sohn sich nicht zur Lachnummer macht: Er ist ein- fach ein kleiner Kerl, der ab und zu gerne Röcke und Kleider trägt. Niemand hat das Recht, ihn deshalb zu verspotten oder auszulachen. Wenn ich in einem Rock neben ihm stehe, zeigt niemand mehr mit dem Finger auf ihn, sondern auf mich. Ich gebe zu, ich mache es den Leuten in dem Masse schwerer, wie ich es meinem Sohn leichter mache. Das ist mein Job.
Sie machen ernst mit geschlechtergerechter Erziehung. Lohnt sich der Kraftakt, in dieser Form gegen alte Rollenbilder anzukämpfen?
Aus meiner Sicht auf jeden Fall. Wir können natürlich auch alle die Hände in den Schoss legen und auf ein Wunder warten. Wir können weiterhin ungläubig starren, wenn Menschen, die von der angeblichen Normalität abweichen, missachtet und verletzt werden. Ich kann mich als Mann weiterhin darin sonnen, dass mir die Gesellschaft mehr gibt, als mir zusteht und es den Frauen nimmt. Ich persönlich betrachte das allerdings nicht als Gewinn, sondern als Zumutung. Zumal berechtigte Kritik von männlicher Seite eher unglaubwürdig wirkt. Daher ist es mir sehr ernst.
Wenn Mädchen mit Traktoren und Baukranen spielen, hat heute keiner Mühe mehr damit. Trägt ein Junge aber einen Rock oder lackiert sich die Fingernägel, befremdet das die Leute noch immer. Weshalb?
Das Weibliche wird nach wie vor gering geschätzt. Wenn ein Mädchen sich für Dinge interessiert, die männlichem Rollenverhalten zugeordnet werden, nennt man das inzwischen ambitioniert oder herausfordernd. Wenn sich ein Junge ohne Not «verweiblicht», dann wertet er sich in den Augen der Gesellschaft ab. Zumal solches Verhalten immer die Frage in den Raum stellt, was denn an weiblichem Verhalten so verachtenswert sein soll.
Und wie reagiert Ihr Sohn, wenn er in der Kita von den anderen Kindern wegen des Rocks gehänselt wird?
Das macht ihn natürlich traurig. Aber inzwischen wird er wegen seiner Kleidung kaum mehr aufgezogen. Falls es doch geschieht, stört er sich nicht mehr daran. Er weiss, dass ich ihn nicht nur verbal auffordere, tolerant, mutig, mitfühlend und selbstbestimmt zu sein, sondern hinter ihm stehe. Im wahrsten Sinn des Wortes. Und wenn es sein muss eben auch neben oder vor ihm. Inzwischen braucht er mich in der Rock-Sache kaum noch.
Wie fühlt sich das Rocktragen als Mann eigentlich an?
Im Sommer überraschend gut. Barfusslaufen übrigens auch – das ist ja ebenfalls auf dem Foto zu sehen. Allerdings vermisse ich die Hosentaschen, in die ich mein Zeug stecken kann.
Spazieren Sie nach Ende der «Rockphase» Ihres Sohnes weiterhin im Kleid durch die Stadt?
Vermutlich nicht. Ohne meinen Sohn wäre ich nicht auf die Idee gekommen, Röcke oder Kleider zu tragen. Ich werde aber nach Ende der Kleinkindphase auch nicht mehr mit Kastanien basteln, Mandalas ausmalen oder jeden Abend vorlesen. Dass man sich zu manchen Dingen vor allem wegen der Kinder motiviert, ist für Eltern eine vertraute Erfahrung. Solange diese Phase jedoch anhält und mein Sohn Unterstützung erbittet, werde ich gern weiterhin in Röcken oder Kleidern herumlaufen.
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