Aus dem Vaterland
«Das machen Sie aber gut!»

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Meine Freunde posten auf Facebook gerne, was sie in ihrer Freizeit so tun. Emanuel postet das Bild eines Biers und einer Zigarette. Das bringt ihm 23 Likes. Fritz postet das Bild einer Ducati und eines Espresso: Das gibt 12 Likes. Werner postet das Bild einer Frau und seiner selbst: immerhin noch 6 Likes.
Was Emanuel, Fritz und Werner können, das kann ich auch. Dachte ich mir. Und weil ich ein paar Wochen zu den Kindern schaute und den Haushalt machte, postete ich nacheinander: das Bild eines vollen Abfallsacks: Das brachte mir 1 Like. Das Bild eines vollen Wäschesacks: nochmals 1 Like. Das Bild einer vollen Windel: 0 Like.
Doch es kam noch schlimmer. Meine Facebook- Freunde weigerten sich nicht nur, den Like-Button zu drücken. Die Mütter unter ihnen begannen, mich zu beschimpfen. Und nicht zu knapp. Monika, eine frühere Kollegin, schrieb: «Armselig ist, dass wir heute immer noch so rückständig sind, dass Väter, die ein bisschen mithelfen, als Helden gefeiert werden. » Lisa, die ich sonst sehr schätze, postete einen von ihr verfassten Zeitungsartikel. Der Titel: «Wenn Männer Papitag feiern.»
Ich schrieb Lisa in der Kommentarspalte von Facebook etwas Beleidigendes zurück. Sie rief mich an und zwang mich, den Kommentar zu löschen. Doch ich war besorgt: Da hatten mich die jungen, hübschen Mütter auf dem Spielplatz jahrelang, Woche für Woche, mit stehenden Ovationen für meinen Papitag gefeiert. Und an jeder Party wurde ich von den weiblichen Gästen als Musterbeispiel eines modernen Helden bewundert. Doch jetzt sollte mein glückliches Leben abrupt zu Ende sein? Ab sofort sollte ich an meinem Papitag mit leidender Miene über den Spielplatz schleichen? Und überhaupt: Wieso dürfen sich meine Freunde mit ihrer Zigarette, ihrem Motorrad und ihrer Frau auf Facebook feiern lassen, aber ich mich mit meinem Abfallsack, meinem Wäschesack und meiner Windel nicht?
Ich fragte meinen älteren Bruder. Dem würde es nie in den Sinn kommen, sein Büro während der Woche für einen Papitag zu verlassen. Dem Kind schaut hübsch die Frau. Deshalb verdient mein Bruder mehr als ich. Und er kann sich im Gegensatz zu mir ein Haus und ein Auto leisten. Er murmelte etwas von: «Jahrhundertelang mussten die Frauen allein den Haushalt machen und den Kindern schauen … ohne öffentliche Anerkennung ... sie ertragen es nicht, dass nun die Männer genau dafür Lob erhalten.»
Ich fragte ihn: «Aber gerade die Frauen verlangen doch, dass Haushalt und Kinderbetreuung als vollwertige Arbeit anerkannt werden. Sollten sie sich nicht freuen, wenn die Männer das plötzlich genauso sehen?» Mein Bruder schwieg. Ich fragte ihn: «Macht man den Politikerinnen eigentlich zum Vorwurf, dass die Frauen in der Politik immer noch in der Minderheit sind?» Mein Bruder schwieg weiter.
Das ist schon eine Weile her. Inzwischen arbeite ich wieder 100 Prozent. Den Papitag habe ich gestrichen. Ich verdiene viel mehr als früher, vielleicht kann ich mir bald ein Haus und ein Auto leisten. Ich habe schon mal das Foto des neuen Volvo XC 90 auf Facebook gepostet. So ein SUV. Und dazu gefragt: «Was denkt ihr?» Das brachte mir immerhin neun Likes. Das sind neunmal mehr Likes als der Wäschesack. Und dazu anerkennende Kommentare. Emanuel schrieb: «Go for Volvo, Mäder!» Nicole schrieb: «Im Ernst? Neid!» Lukas schrieb: «Verdienst du so gut?»
Ich könnte zufrieden sein. Doch manchmal überkommt es mich wieder. Dann gehe ich mit den Kindern heimlich in die Migros. Kürzlich hat mir dort eine alte Oma freundlich zugenickt und geflüstert: «Das machen Sie aber gut. Zu meiner Zeit haben sich die Männer noch nicht so um ihre Kinder gekümmert.» Ich hätte sie umarmen können.