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Muss Mami mitspielen?
Von Bloggerin Nathalie Sassine-Hauptmann

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Eine Tatsache für berufstätige Eltern gemäss Rachel Thomas, Präsidentin von Leanin.org, der Organisation, die sich für Gleichberechtigung am Arbeitsplatz einsetzt: «Heute verbringen berufstätige Mütter mehr Zeit mit ihren Kindern, als Hausfrauen in den 1960er-Jahren.»
Das lässt mich doch sehr aufhorchen: Was bewegt uns Mütter heute dazu, so viel Zeit mit unseren Kindern zu verbringen, obwohl wir einer Berufstätigkeit nachgehen, die uns ebenfalls viel Zeit kostet? Und wo bleiben wir selber dabei? Wann haben wir Zeit für uns, oder gar für unsere Partner?
Es ist immer wieder dasselbe: Meine Tochter geht unheimlich gerne zu ihren Freundinnen. Viel lieber, als dass sie diese zu uns einlädt. «Weil das Mami von (hier Name einsetzen) immer mit uns bastelt/spielt/lustig ist», antwortet sie auf meine Frage hin. Diese Erkenntnis erklärt natürlich einiges. Ich wäre nämlich zwar im Haus, sitze aber entweder im Büro und arbeite (in der Woche) oder liege im Liegestuhl und lese (am Wochenende). Denn das Mami meiner Tochter geht davon aus, dass Kinder keinen Erwachsenen brauchen, der mit ihnen bastelt/spielt/lustig ist.
Nicht nur, weil ich kaum Zeit hätte, aus meinem Büroalltag auszubrechen, um Ketteli zu flechten. Auch nicht nur deshalb, weil ich nicht besonders gerne mit Kindern spiele – nicht mal mit meinen eigenen. Aber vor allem deshalb, weil ich nicht glaube, dass Kinder uns Erwachsene zum Spielen benötigen. Oder haben alle Kinder, die in den 1960er-Jahren aufwuchsen, Defizite davon getragen, weil ihr Mami nicht mit ihnen und den Freunden gespielt hat? Viel lieber haben damalige Mütter doch Kaffee getrunken (meine Oma) und mit ihren eigenen Freundinnen geplaudert.
Und wenn wir einer Berufstätigkeit nachgehen, aber offenbar dennoch mehr Zeit mit den Kids verbringen als vor 50 Jahren, wann tun wir denn das? Abends, nach dem Abendessen? Anstatt dass wir mit unseren Partnern Erwachsenengespräche führen? Um uns dann zu beklagen, dass eben diese Partnerschaft in die Brüche geht?
Diese Meinung vertrete ich natürlich auch im privaten Umfeld, wo man mir schon mal «fürchterlichen Egoismus» vorgeworfen hat. «Wieso verbringst du denn soviel Zeit mit deinem Kind?» erwiderte ich. «Weil ich es geniesse.» Eben. DU geniesst es. Dein Kind vielleicht auch, aber dir geht es ja auch um DICH. Wieso bist du dann weniger egoistisch als ich?
Zugegeben, die Freundinnen meiner Sechsjährigen möchten auch lieber, dass sie zu ihnen kommt. Wohl, weil ich ihnen zu wenig bastle/spiele/ und schon gar nicht lustig bin. Aber damit kann ich leben.
Wie ist das bei euch? «Assistiert» ihr euren Kindern beim Spielen oder überlasst ihr sie da sich selber?

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Nathalie Sassine-Hauptmann (1973) gehört zu den Müttern, die ihr schlechtes Gewissen wie ein Baby mit sich rumtragen. Dennoch würde sie ihren Beruf nie aufgeben. Mit ihrem Buch «Rabenmutter - die ganze Wahrheit über das Mutterwerden und Muttersein» spricht sie vielen berufstätigen Müttern aus der Seele. Denn als Unternehmerin weiss sie, dass ihre Kinder sie zwar glücklich machen, aber erst ihr Job ihr den Ausgleich garantiert, den sie braucht. Sie führt sowohl ihr Familienleben als auch ihre Firma mit viel Leidenschaft und macht sich in diesem Blog Gedanken zur Vereinbarkeit von beidem. Und sie hat keine Angst davor, sich eine Feministin zu schimpfen. Alle Blog-Beiträge von Nathalie Sassine-Hauptmann finden Sie hier.