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«Berufstätige Eltern geben ihren Kindern Medis zum schlafen»
Von Bloggerin Nathalie Sassine-Hauptmann

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Ja, bei mir klingeln alle Glocken. Schon wenn eine Gratiszeitung titelt «Eltern stellen Babys mit Medikamenten ruhig», erhöht sich meine Herzfrequenz. Denn wahrscheinlich kommt das vor. Der Mensch tut nichts, was es nicht gibt. Und ja, es ist schlimm. Sehr schlimm sogar. Die meisten Medikamente werden nämlich nicht für Kinder getestet oder einfach zweckentfremdet. Ich werde diese hier nicht auflisten, ich bin keine Apothekerin.
Aber genauso schlimm finde ich es, wenn man dieses gruselige Phänomen auf berufstätige Eltern schiebt. Die Frankfurter Allgemeine – welche von 20 Minuten zitiert wird – hat nämlich Therapeutinnen befragt, die den Grund für diese unsägliche Praxis bei den kurzen Babypausen und dem Wiedereinstieg der Mütter sehen.
So meint Dagmar Ambass, Psychotherapeutin bei der Stiftung Mütterhilfe, die Toleranz für schreiende Babys habe abgenommen. Heute seien oft beide Elternteile berufstätig und Mütter würden meist früh und mit hohen Stellenprozenten in den Job zurückkehren. «Wenn das Baby in der Nacht mehrheitlich schreit, sind viele Eltern nicht mehr fit für die Arbeit.»
Ja, auch das stimmt. Nichts Schlimmeres, als wenn das Baby nicht schläft und ich am nächsten Tag einen strengen Tag habe. Aber macht die Berufstätigkeit einen solch grossen Unterschied? Meine Babypause dauerte bei beiden Kindern ein Jahr. Der totale Luxus. Aber fand ich es während dieser Zeit deshalb easy, wenn die Tochter jede Nacht mehrmals bis zu einer Stunde schrie? Hätte ich mich einfach am nächsten Tag auf’s Ohr legen können, um die schlaflose Nacht nachzuholen? Nein, konnte ich nicht. Schliesslich hatte ich noch ein grosses Kind, für das ich da sein musste.
Und wenn man schon berufstätige Eltern beschuldigt, nicht 24 Stunden für das Kind, mit dem Kind und überhaupt nur rund um’s Kind da zu sein, wieso kommt keiner auf die Idee, Hilfe anzubieten? Eltern, die zu Medikamenten greifen sind verzweifelt, aber keine schlechten Menschen!
Die Kritik in den Kommentaren zeigt aber auch wieder einmal auf, wie elterliche Berufstätigkeit in der Schweiz akzeptiert wird. Nämlich gar nicht. Mami soll sich schliesslich nur um’s Kind kümmern und fertig. Dass eventuell der Mutterschaftsurlaub schlicht für viele zu kurz ist, jedoch viele frecherweise finden, Mami soll gefälligst länger zu Hause bleiben, treibt mich zur Weissglut. Ist es denn wirklich noch nicht überall angekommen, dass 80% der Eltern arbeiten MÜSSEN?
Dass Schlafmangel Folter ist, weiss jede Mutter, jeder Vater, die/der das schon erlebt hat. Wenn man nicht mehr weiter weiss, ist es aber wohl auch sehr schwer, sich an jemanden zu wenden, da man damit rechnen muss, als karrieregeile, sich selbst verwirklichende Rabenmutter angesehen zu werden.
Oder wie seht ihr das? Glaubt ihr auch, dass das vorwiegend berufstätige Eltern betrifft? Welche Erfahrungen habt ihr selber gemacht?
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Nathalie Sassine-Hauptmann (1973) gehört zu den Müttern, die ihr schlechtes Gewissen wie ein Baby mit sich rumtragen. Dennoch würde sie ihren Beruf nie aufgeben. Mit ihrem Buch «Rabenmutter - die ganze Wahrheit über das Mutterwerden und Muttersein» spricht sie vielen berufstätigen Müttern aus der Seele. Denn als Unternehmerin weiss sie, dass ihre Kinder sie zwar glücklich machen, aber erst ihr Job ihr den Ausgleich garantiert, den sie braucht. Sie führt sowohl ihr Familienleben als auch ihre Firma mit viel Leidenschaft und macht sich in diesem Blog Gedanken zur Vereinbarkeit von beidem. Und sie hat keine Angst davor, sich eine Feministin zu schimpfen. Alle Blog-Beiträge von Nathalie Sassine-Hauptmann finden Sie hier.