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Mamaversum
Aus diesem Kind wird nichts!
Maja Zivadinovic blickt mit gemischten Gefühlen auf ihre Schulzeit zurück. Die Lehrer:innen hätten sie gerne ins Internat geschickt.
Grüezi wohl liebe Lehrer:innenschaft von 1992.
Ich bin nicht ganz sicher, ob Sie sich noch an mich erinnern. Ich war, wie Sie stets betonten, das Dauerthema im Lehrerzimmer. Das Ausländerkind aus der letzten Reihe, das nur Flausen im Kopf und Flöhe im Füdli hatte. Die Schülerin aus dem Arbeiterquartier, die lieber Jungs nachrannte, statt Ufzgi zu machen. Ich war aber auch das fröhliche Mädchen mit dem riesigen Lachen, das es faustdick hinter den Ohren hatte. Das nie zuhörte. Das spätestens nach den ersten paar Wochen in die erste Reihe zügeln musste.
Sie sassen oft mit meinen Eltern am Tisch. Und Sie machten Panik. Wenn diese mich jetzt nicht endlich ins Internat schickten, komme es nicht gut. Dann geriete die kleine Maja auf die schiefe Bahn. Für eine Lehrstelle sahen sie schwarz. Entweder Internat oder von der Sek runter in die Real. Eine andere Chance haben Sie nie gesehen. Das haben Sie meinen Eltern, eingewanderten Serben, stets in sehr langsamem Hochdeutsch erklärt. Das, obwohl vor allem meine Mutter fliessend Deutsch verstand und sprach. Sie störten sich daran, dass ich laut war. Dass ich hibbelig war. Hätte es damals schon Ritalin gegeben, ich wäre sicher eine Kandidatin gewesen. Wäre es dann anders gekommen? Besser? Hätte es überhaupt besser kommen können?
Weil wissen Sie, liebe ehemalige Lehrer:innen, ich bin nicht abgestürzt. Habe keine Drogen genommen (die paar Joints zwischen 14 und 18 lassen wir mal grosszügig weg), habe als eine der Kantonsbesten meine Lehre abgeschlossen. Habe mich weitergebildet, bin weit gereist, habe vieles ausprobiert und mein Herz schlussendlich dem Journalismus geschenkt. Ich bin nicht wütend auf Sie. Sie haben mir schliesslich Grammatik beigebracht. Und Sie konnten es vielleicht nicht besser wissen.
Ich bin meinen Eltern enorm dankbar, dass sie nicht auf Sie gehört haben und mich weder in die Real noch in ein Internat gesteckt haben. Sie haben mich die zweite Sekundarklasse repetieren lassen. Es ist nicht so, dass ich deswegen Gleichungen oder das Periodensystem verstanden habe. Aber es hat Klick gemacht. Neuer Lehrer, neues Glück. Ich entdeckte die Freude am Lernen.
Wild und laut und hibbelig bin ich geblieben. Bis heute. Mein Sohn ist genauso. Ich freue mich auf seine Schulzeit. Vor der ich null Angst habe. So schnell wird mich nichts umhauen. Ich war ja bei Ihnen in der Schule. In der Lebensschule. Und dafür bin ich Ihnen dankbar.
Beste Grüsse,
Maja Zivadinovic
Über Umwege, die sie als Reiseleiterin in die Türkei und an den Empfang von «Tele Züri» führten, landete Maja Zivadinovic im Journalismus. Zusammen mit Yvonne Eisenring und Gülsha Adilji macht sie seit 2021 den SRF-Podcast Zivadiliring. Ihr Lieblingsjob ist aber ein anderer: Seit Juni 2020 ist sie Mami eines Buben.