Mama Deutsch, Papa Spanisch: Bei kleinen Kindern ist es hilfreich, wenn sie die Sprachen einer Person zuordnen können.
Die Erziehungswissenschaftlerin Anja Leist-Villis erklärt, worauf Eltern achten müssen, wenn ihr Kind zweisprachig aufwächst.
wir eltern: Was halten Sie davon, wenn Eltern eine chinesische Nanny anstellen oder Frühenglisch fürs Kind buchen?
DR. Anja Leist-Villis: Natürlich kann auf diese Weise eine zweite Sprache gelernt werden. Es kommt allerdings darauf an, wie intensiv die Beziehung zwischen Kind und Nanny. Für Vorschulkinder, die zwei Stunden pro Woche englische Liedchen singen, wird die Sprache keine allzu grosse Bedeutung bekommen. Prinzipiell würde ich sagen, je früher der Kontakt zu einer fremden Sprache entsteht, desto besser. Eltern sollten sich aber nicht unter Stress setzen und meinen, ihr Kind müsse unbedingt mit drei Jahren Englisch oder Chinesisch lernen. Mit Druck geht ohnehin nichts.
Ist der Zug für den Erwerb einer Sprache nicht schon sehr früh abgefahren?
Nein. Kleine Kinder lernen einfach in der konkreten Handlung, unbewusst und intuitiv. Sie empfinden dabei keinerlei Anstrengung. Je älter man wird, desto bewusster wird das Lernen. Bei älteren Kindern besteht der Vorteil, dass sie sich Regeln besser einprägen und die Grammatik durchschauen können.
Manchmal sind Eltern verzweifelt, wenn ihr Kind die Mutter- oder Vatersprache einfach nicht sprechen will. Wie kommt es zu dieser Verweigerung?
Häufig ist die Sprache betroffen, die weniger präsent ist. Wenn der Vater nur am Abend eine Stunde und am Wochenende Spanisch spricht, hat das Kind weniger Kontakt zu dieser Sprache. Beherrscht der Vater zudem noch die hiesige Landessprache, redet mit der Mutter und mit Bekannten Deutsch, wird sich das Kind fragen: Warum spricht er nur mit mir Spanisch?
Ist es sinnvoll, auf die zweite Sprache zu bestehen, wenn sie so wenig präsent ist?
Auch wenn der Vater wenig Gelegenheit hat, mit seinem Kind Spanisch zu sprechen, sollte er es tun. Allerdings nicht auf belehrende oder erzwungene Art. Behauptet er zum Beispiel, nicht zu verstehen, wenn das Kind ihm auf Deutsch antwortet, durchschaut das Kind die erzieherische Absicht und entwickelt unter Umständen eine Abneigung gegen Spanisch. Bleibt der Vater bei seiner Sprache, ohne Druck aufzusetzen, vermittelt er dadurch indirekt, wie wichtig ihm seine Sprache ist.
Stimmt es, dass zweisprachig aufwachsende Kinder später anfangen zu sprechen?
Dafür gibt es keinerlei Hinweise und auch keine Gründe, weshalb das so sein sollte. Der Spracherwerb ist ohnehin individuell verschieden.
Es heisst, man sollte nicht mischen, sondern jeder Elternteil bei seiner Sprache bleiben. Stimmen Sie zu?
Bei sehr kleinen Kindern ist das in der Tat hilfreich, wenn sie die Sprachen einer Person zuordnen können: Mama Deutsch, Papa Spanisch. Es ist aber keine Voraussetzung, damit ein Kind zweisprachig wird. Wichtig ist, dass Eltern sich mit dem Thema Zweisprachigkeit auseinandersetzen, auch mit Vorurteilen, die das Umfeld eventuell hat.
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