Die wichtigsten Sicherheitsmassnahmen
Schutz für kleine Eroberer

Sind sie erreichbar, sind sie gefährlich: Putzmittel gehören ausser Reichweite von Kleinkindern.
Die Auswahl an Kantenschutz- Systemen, Blumentopfgittern, Balkon-Schutznetzen, Fenster sperren, Türstoppern, Kochherdabdeckungen und Bettdeckenhaltern in Babyfachgeschäften macht viele Eltern etwas ratlos: Soll man die Wohnung zur abgesicherten Gummizelle um rüsten, wenn das Baby mobil wird? Ursula Zürcher, Co-Leiterin der Mütterberatung Luzern und Mütterberaterin HFD, verneint: «Ich empfehle Eltern nicht von vornherein, alles abzusichern, sondern rate ihnen, erst Erfahrungen mit ihrem Kind zu sammeln. Man muss sicher nicht alle Sicherheitsvorkehrungen haben.»
Wer seinem Baby aber zum hundertsten Mal beizubringen versucht hat, dass es den Kochherd nicht anschalten soll, kann durch aus einen Armaturenschutz anbringen. Und in höheren Stockwerken leicht erreichbare Fenster zu verriegeln, ist auf jeden Fall geboten. Besonderes Augenmerk gilt auch Treppen, Küchengeräten, Putzmitteln, Medikamenten und giftigen Pflanzen (siehe Kasten). Denn gemäss Angaben der Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) verunfallen jährlich 30 000 Kinder im Alter zwischen 0 und 3 Jahren – die Hälfte davon im eigenen Heim. Damit gehören Unfälle zu den grössten Gesundheitsrisiken für Kinder und sind eine häufigere Gefahr als Krankheiten.
Sich selber vor Stress schützen
Oft geht es um die Sicherheit des Kindes genauso wie um die eigenen Nerven. Denn immer in latenter Angst zu sein, dass dem Kleinen etwas zustossen könnte, tut auf die Länge niemandem gut. «Ich finde es wichtig, dass man sich selber vor diesem Stress schützt, das Kind aber seinen Bewegungsradius haben darf. Da muss man einen Kompromiss suchen», sagt Mütterberaterin Zürcher. So könne man das Kind unter Aufsicht in der «Gefahrenzone» spielen lassen, zum Beispiel mit einer Schublade im Bad, in der sich Nagellack, Nagelschere, Rasierapparat und Rasierseife befinden – alles Dinge, mit denen ein Baby eigentlich nicht spielen sollte.
Von diesen Alltagsgegenständen fühlen sich Kinder besondern angezogen. Denn sie wollen ihr Umfeld durch eigene Erfahrungen entdecken können. «Ein Kind muss lernen, seine Kräfte und Grenzen einzuschätzen, dabei gewinnt es Selbstvertrauen», sagt Felicitas Steiner, Oberärztin Entwicklungspädiatrie am Ostschweizer Kinderspital St.Gallen, «das ist nur möglich, wenn es Dinge selber ausprobieren kann.»
Einrichtung
- Gefährliches bis zur Höhe von ca. 1 Meter wegräumen
- Vor Treppen und Balkonzugängen Schutzgitter montieren
- Sicherheitsriegel an Schränken mit Putzmitteln, Medikamenten etc.
- Herdplatten evtl. mit Abdeckung schützen, Temperaturregler evtl. durch kindergesicherte Armaturen auswechseln
- Schränke und Regale an Wand festschrauben, damit sie auch bei kindlichen Kletterversuchen nicht kippen. Schwere Gegenstände, etwa die Stereoanlage, sichern
- Steckdosenschutz anbringen
- Tischtücher wegräumen, an denen sich ein Kind festhalten könnte
- Im Badezimmer Nagelscheren, Rasierklingen, Kosmetika sicher versorgen
- Klären: Gibt es giftige Zimmerpflanzen?
Fallgefahren
- Möbel umstellen oder Gegenstände dort wegräumen, wo Babys ihre ersten Aufstehübungen machen, damit sie sich beim Umfallen nicht verletzen; evtl. weiche Matte auf harte Steinböden legen
- Kinderbett überprüfen: Sind die Stäbe genügend hoch? Die Matratze tief genug?
- Kind nicht unbeaufsichtigt auf dem Wickeltisch lassen
Eigenes Verhalten
- Scheren, Messer etc. nicht leicht zugänglich liegenlassen; Pfannenstiele auf dem Kochherd zur Wand drehen
- Weg mit Verschluckbarem wie Nüsse, Perlen etc., weg mit Batterien (giftig)
- Keine Aschenbecher mit Zigarettenkippen stehen lassen
- Keine Stühle unter dem Fenster stehen lassen
Raus aus dem «Hochsicherheitstrakt»
Das Training für die Welt draussen muss gewissermassen in den eigenen vier Wänden stattfinden. «Auch für überbehütete Kinder wird irgendwann der Moment kommen, in dem man sie aus dem heimischen ‹Hochsicherheitstrakt› herauslassen muss. Und dann haben sie die Erfahrungen nicht, die andere zu Hause schon machen konnten», sagt Felicitas Steiner. Wenn sich ein Kind nie oder nur mit viel Unterstützung auf das Schaukelpferdchen setzen durfte, ist die Chance, dass es sich auf der Spielplatzschaukel gut genug festhalten kann, kleiner als bei anderen Kindern.
«Draussen ist aber der Boden vielleicht härter und das Schaukelseil höher. Dann wird es wirklich gefährlich», meint Steiner. Ein Kind sollte man also auch zu Hause auf ein Sofa oder die Treppe hinaufklettern lassen, sagt Ursula Zürcher, «und am besten bringt man ihm auch bei, wie es wieder herunterkommt.» Gerade diejenigen, die Erfahrungen sammeln durften, hätten oft ein sehr gutes Körpergefühl. Dabei sind die Eltern die wichtigsten Vorbilder – auch in Sachen Sicherheit. «Diese Rolle ist vielen Eltern nicht sehr bewusst», sagt Entwicklungspädiaterin Steiner, «aber wie ich mit Messern, einer offenen Flamme, einer Kerze umgehe, prägen sich die Kinder ein.»
Auf Besuch ist alles anders
Die eigene Wohnung hat man irgendwann kindertauglich umgestellt, doch sieht alles wieder anders aus, wenn man auf Besuch ist – vor allem in einem Haushalt, der nicht für kleine Kinder eingerichtet ist. «Es lohnt sich, sich in einer fremden Wohnung kurz zu überlegen, wo Gefahren lauern», empfiehlt die Mütterberaterin. So würden es Eltern schaffen, sich auf Besuch besser zu entspannen.
Wie sehr sich ein Kind überhaupt in Gefahr begibt, hängt vor allem vom Typ und Temperament ab. Die Bandbreite ist gross. «Es ist sehr unterschiedlich, wie gut Kinder ihre eigenen Fähigkeiten einschätzen. Es gibt Kinder, die sich ein oder zweimal wehtun und nachher Respekt davor haben», sagt Kinderärztin Felicitas Steiner, «und bei anderen hat man den Eindruck, die lernen es nie. Auch das gehört dazu, das sind einfach unterschiedliche Kinder.»
Allen Babys gemeinsam ist die Neugier. Und da ist manchmal einfach ein «Nein» nötig. Aber auch hier ist es sehr unterschiedlich, wie das Kind reagiert. «Ich bin überzeugt, dass jedes normal entwickelte einjährige Kind weiss, was Nein bedeutet», sagt Steiner, «ob es das Nein dann auch akzeptiert, ist eine andere Frage.» Manche Kinder verunsichert es, wenn ihnen ständig alles verboten wird. Oft siegt dann ihr Forschergeist – natürlich zum erneuten Unwillen der Eltern. Da bleibt nur eins: «Man sollte nicht nur verbieten, sondern jeweils einen Ersatz finden. Ein Einjähriges kann man auch für eine andere Beschäftigung gewinnen», sagt Felicitas Steiner.
NÜTZLICHE LINKS
- www.bfu.ch (Broschüre zu Chemikalien herunterladen, bfu-Kinderpost abonnieren)
- www.kindersicherheit.de
- www.toxi.com (verschiedene Merkblätter, Liste mit giftigen Pflanzen)