Gleichermassen verzückt wie beschämt habe ich sie in den letzten Tagen durchgelesen – meine insgesamt sechs Tagebücher, die ich in meinen frühen, formidablen Single-Jahren gefüllt habe. Zwischen meinem 18. und 24. Lebensjahr hatte ich offensichtlich unglaublich viel Zeit, um mich unglücklich zu verlieben, mich über meine (Zitat) «schwabbelfetten Schenkel» aufzuregen und über drei Seiten hinweg mittels Pro- und Kontra-Liste zu werweisen, ob ich die Haare abschneiden soll. Es war Mia, die mich fragte, was die ganzen farbigen Notizbücher in meinem Bücherregal sollen. Und als sie, total beeindruckt von den Hunderten von handgeschriebenen Blättern, unbedingt auch ein Tagebuch wollte, habe ich natürlich nicht lange gezögert. Sie soll doch sicherlich möglichst früh lernen, ihre Gefühle auszudrücken! Etwas Privatsphäre im Kajüten-Betten-Kinderzimmer, das sie mit Lily teilen muss! Und ich gebe zu: So wahnsinnig gut kann Mia nun mit acht Jahren ja noch nicht schreiben. Ganz genau weiss ich das nicht, denn ich habe nach ihrem allerersten Eintrag im Tagebuch nicht mehr weiter gelesen. Da schrieb sie nämlich: «Meine Mami ist dum ich mag Bretkögeli.» Ich glaube, ich will den Rest gar nicht wissen.
Dass der Tagebuch-Wahnsinn auch bei der sechsjährigen Lily ausbricht, hat mich aber doch ein bisschen überrascht. Denn ich habe erst so bemerkt, dass Lily überhaupt schreiben kann! Letzte Woche wollte sie mit mir ein eigenes Notizbuch kaufen gehen, um darin ihre Geheimnisse aufzuschreiben. Doch als sie dann neben ihrem eigenen Namen und den Vornamen ihrer besten Freundinnen plötzlich anfing, weitere Dinge, die sie mag, aufzuschreiben, war ich schon ziemlich baff. Hupi (der schon bald eine eigene Kolumne kriegen sollte, so oft wie der blaue Stoffelefant hier vorkommt), Gameboy, spile und Hambordr – was «Hamburger» heissen soll – alles wurde in krakeliger Druckschrift im nagelneuen Tagebuch notiert! Wann ist denn das passiert? Habe ich da gerade «Grey’s Anatomy» auf dem Laptop geschaut und den Mädchen gesagt, das sei für die Arbeit? Auf jeden Fall bin ich als Schreibende total verzückt. Und die Mädchen nehmen ihre Tagebücher überallhin mit: In den Kindergarten und die Schule, ins Bett und sogar auf den Spielplatz. Als ich mich dagegen wehren wollte, sagte Mia: «Aber was ist, wenn dort etwas Tolles passiert und ich es nicht aufschreibe und vergesse?» Oh, wie ich das verstehen kann! Einzig der Tigerprinz scheint immun zu sein gegen den Tagebuch-Virus. Aber wenn er eines hätte (und ich schliesse es ja nicht komplett aus... er kann ja nicht alle neun Arbeitsstunden mit tatsächlicher Arbeit verbringen, oder?), bin ich mir ziemlich sicher, dass er sich darin nicht über Seiten hinweg fragen würde, wie er ein besserer Ehemann werden könnte oder wo sein Leben nun hinführen soll. Da würde wohl viel eher stehen: Dienstag. Koteletts und Sex, obwohl schon nach 24 Uhr = super Tag. Und wenn nicht? Auch hier glaube ich, will ich den Rest gar nicht wissen!