Aus dem Vaterland
«Drei bedeutet zwei gegen eins»
Es gibt Eltern, die legen mit drei Kindern den Grundstein zur eigenen Dynastie. Unser Kolumnist Sacha Batthyany sieht es nüchterner.
Aus dem Vaterland
Drei ist die neue Zwei verkünden amerikanische Zeitschriften seit ein paar Jahren und auch auf dem alten Kontinent soll sich ein Trend abzeichnen, titelt die «Neue Zürcher Zeitung» und beruft sich auf neuste Zahlen: Die Anzahl Familien mit drei Kindern nehme in urbanen Gegenden zu. Insofern liegen wir mit unseren Dreien voll im Trend, flüsterte ich mir zu, während ich ihnen Pulli, Schal, Handschuhe, Mütze und Schneeschuhe anzog, dreimal hintereinander, bis ich auf allen Vieren zum Sofa kroch, um mich von den Strapazen zu erholen.
Über die Gründe wird spekuliert, wie so oft in Familienfragen. Während die amerikanische «Vogue» behauptet, das dritte Kind sei «das Statussymbol der Dekade» und befriedige eine «kennedyeske» Sehnsucht nach einer eigenen Dynastie, ist man hierzulande nüchterner, erwähnt den Ausbau der Krippenplätze, die Altersstruktur der Eltern und einen «Aufschwung konservativer Strömungen», so sagt es der Soziologe François Höpflinger von der Universität Zürich. Neben der Zunahme an Mehrkindfamilien beobachtet er eine Hinwendung zu traditionellen Werten, wie weisse Hochzeiten, Begeisterung für Schwingfeste, Tanz- und Kniggekurse, mehr Taufen, weniger Europa. Jetzt liegen wir also nicht nur im Trend, dachte ich auf dem Sofa und genoss die Ruhe, sondern sind auch noch konservativer geworden.
Drei ist ganz allgemein eine sehr gute Zahl. Wir mögen die Drei, denn sie ist stabil. Will man unverwackelte Fotos, stellt man seine Kamera auf ein Tripod. Jeder Tisch, jeder Stuhl braucht mindestens drei Beine. Die abendländische Harmonik basiert auf dem Dreiklang, in der bildenden Kunst kennt man das Triptychon, im Christentum die Dreifaltigkeit, von Sigmund Freud die Triade und im Film ist die «Pate»-Trilogie etwas vom Bestem. Drei ist: Achtung – Fertig – Los; ist: Vorspeise – Hauptspeise – Dessert; Was sind aller guten Dinge? Und wie viele Engel hatte Charly? Eben.
Die Drei ist in uns drin, weil sie einen Anfang hat, eine Mitte und ein Ende – so wie das Leben. Dass es sich erst mit Dreien so anfühlt, als wäre man als Familie komplett, behaupten auch viele der Userinnen in Schweizer Familienforen. Warum diese sich so alberne Namen geben müssen und Seesternchen heissen oder Käferchen77, ist eine andere Frage. SonnigesGemüt12 schreibt: «Als ich nur zwei Kinder hatte und im Auto nach hinten auf die Rückbank schaute, dachte ich immer, da fehlt noch eins» – und Lenzburg-isch-Läss antwortet: «Genau so ist es.»
Was SonnigesGemüt12 und Lenzburg-isch- Läss seltsamerweise verdrängen, ist die geballte Ladung «grüngeäugtes Monster», das unser Trio zu Hause im Minutentakt besucht. So nannte der grosse Shakespeare die Eifersucht, dieses unberechenbarste und giftigste aller Gefühle, das aus unseren Kindern Ungeheuer macht: Plötzlich wachsen Krallen aus ihren Fingerchen und in ihren Augen blitzt purer Zorn. Zum einen ist da der ständige Vergleich: Wer kann schon bis 100 zählen? Wer kann besser Purzelbäume schlagen? Zum anderen die dauernden Intrigen: Drei Beine mögen jeden Stuhl stabil halten, drei Kinder aber bedeuten immer auch zwei gegen eins. Irgendwo las ich mal, dass dieses pausenlose Ränkespiel für spätere Top-Karrieren förderlich ist, weil es abhärtet. Mir egal, ich will keine CEOs, ich würde es bevorzugen, nicht jeden Tag am Esstisch die Sitzordnung wechseln zu müssen, weil zwei, die eben noch unzertrennlich schienen, sich nicht mehr ausstehen und wir vor dem unlösbaren logistischen Problem stehen, dass alle neben ihrer Mutter sitzen wollen, was bei Dreien einfach nicht geht.
Es gibt kein Mittel gegen die Eifersucht. Wer das nicht glaubt, der schaue sich Claude Chabrols «L’Enfer» an. Wo immer wir auch sind, im Auto, an der Supermarktkasse, das Monster ist stets bei uns, wie ein ungebetener Gast. Es heisst, es werde sich irgendwann verziehen, so im Alter zwischen sechs bis zwölf, bis es pünktlich zur Pubertät mit voller Wucht zurückschlägt. Wir werden Helme kaufen.