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«Dicke sind hässlich!»
Von Bloggerin Nathalie Sassine-Hauptmann

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Nein, ich lebe nicht auf dem Mond. Auch mir ist aufgefallen, dass in unserer westlichen Welt mit ein paar wenigen Ausnahmen die Gleichung gilt «dünn=schön». Bis heute habe ich die Medien und Modehäuser dafür verantwortlich gemacht. Wenn ein Klatschmagazin Promis mit nackten Beinen mit der Schlagzeile «Die Dellen-Queens» zeigt, sind wir auf einem Tiefpunkt angelangt, bei dem ich im Moment echt nicht weiss, wie wir wieder hochkommen sollen.
Im Zeitalter des modernen Feminismus und der Plus-Size-Models, in dem Frauen tun und lassen sollen, was sie wollen, sind solche Aussagen unter aller Sau. Ich will und kann meinen Körper so haben wie ich will und ja, Inside kann mich mal. Von solchen Käseblättern erwarten wir schliesslich nicht mehr, sowas verkauft sich vielleicht sogar.

Für alle, die keine molligen Kinder haben (und denen es ev. deshalb noch nicht aufgefallen ist): Dicke wurden schon immer in Filmen, Büchern, Serien etc. als entweder dümmlich oder fies dargestellt. Sie sind der Bully der Schule oder die Hässliche, die nicht zu den It-Girls passt. Als halbwegs schlankes Kind ist mir das damals nie aufgefallen. Seit ich eine Tochter habe, die runder als der Durchschnitt ist, fühlt es sich jedes Mal an wie eine Ohrfeige. Der Blick meiner Tochter zerreisst mich jedes Mal, denn offenbar darf sie sich nicht mit der hübschen Blondine – meist die Heldin – identifizieren, sondern mit der doofen Dicken. Tut sie gottseidank nicht, da sie (noch) ein gesundes Selbstbewusstsein hat. Dennoch gibt es immer diesen Moment, wenn ihr die Diskrepanz zwischen den Charakteren auffällt und sie das manchmal auch laut bemerkt. «Immer sind die Dicken die Doofen». Da können wir uns noch lange Mühe geben, um unsere Kinder frei von Druck in Bezug auf ihren Körper zu erziehen: Hollywood-Komödien machen alles kaputt.
Wir sind alle verschieden und das ist gut so. Weiss, braun, schwarz, blond, rot, braun, gross, klein, dick, dünn, anständig, weniger… Alles ok. Und als ich das neue Schneewittchen zum ersten Mal sah, habe ich mich schon gefreut. Das Produktions-Team bei CGI macht einen Film, der zeigt, dass auch kleine runde Frauen Heldinnen sein können. Doch obwohl sich diese Produktion «Diversität» auf die Fahne schreibt, senden Werbung und Trailer gleichzeitig eine himmeltraurige Botschaft: «Dicke sind hässlich bzw. können nur innen schön sein.» «Red Shoes and seven Dwarfs». In diesem neuen Streich gibt es zwei Versionen von Schneewittchen, eine grosse schlanke und eine kleine, dickere. Soweit, so gut, mal was anderes. Doch was sich das Marketing-Team dabei überlegt hat, als sie auf den Plakaten den Zusatz erfanden «Was wäre, wenn Schneewittchen nicht mehr so schön und die Zwerge nicht so klein wären?», ist mir dann eben schleierhaft. «Nicht so gross, nicht so bemutternd, nicht so naiv.» Alles o.k. Nicht so schön? In einem Kinderfilm? 2017? Meh…
Die sozialen Medien liessen natürlich nicht lange mit Kritik auf sich warten: Das fragten sich ebenfalls viele Kommentatoren – darunter das Plus-Size-Model Tess Holliday - , warum es in irgendeiner Form okay sein sollte, Kindern zu vermitteln, dass dick = hässlich ist.
Gute Frage! Doch nicht nur die Plakate, noch schlimmer ist der erste Trailer zum Film. Darin verstecken sich die Zwerge unter dem Bett und Schneewittchen beim Ausziehen beobachten (im Ernst? Voyeurismus ist ja so witzig!) und dann angeekelt schockiert schauen, als sich diese in die mollige Version verwandelt (die natürlich rülpst, denn Dicke sind eklig). Wieviel hier falsch gelaufen ist, ist kaum auszuhalten. Gewicht als ausschlaggebender Faktor für Schönheit. Grossartig! Und so innovativ!
Ich kenne das verantwortliche Marketing-Team nicht. Meines Erachtens haben diese Menschen jedoch keine übergewichtigen Kinder, sonst wäre ihnen die Grausamkeit aufgefallen. Aber das gilt wohl für alle, die «anders» sind. Ich weiss nun nicht, wie das sein wird, diesen Film mit meiner Tochter zu schauen. Falls sie das überhaupt will. Sie fühlt sich nämlich (noch) nicht hässlich. Ist sie ja auch nicht. Im Gegenteil!

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Nathalie Sassine-Hauptmann (1973) gehört zu den Müttern, die ihr schlechtes Gewissen wie ein Baby mit sich rumtragen. Dennoch würde sie ihren Beruf nie aufgeben. Mit ihrem Buch «Rabenmutter - die ganze Wahrheit über das Mutterwerden und Muttersein» spricht sie vielen berufstätigen Müttern aus der Seele. Denn als Unternehmerin weiss sie, dass ihre Kinder sie zwar glücklich machen, aber erst ihr Job ihr den Ausgleich garantiert, den sie braucht. Sie führt sowohl ihr Familienleben als auch ihre Firma mit viel Leidenschaft und macht sich in diesem Blog Gedanken zur Vereinbarkeit von beidem. Und sie hat keine Angst davor, sich eine Feministin zu schimpfen. Alle Blog-Beiträge von Nathalie Sassine-Hauptmann finden Sie hier.