Grosseltern und ihre Arbeit in der Kinderbetreuung rücken immer mehr ins Bewusstsein der Öffentlichkeit und damit auch die Frage, wie ihr Beitrag in Sachen Erziehung sein soll.
Omi und Opi sind hip. Total in. Auf allen Kanälen. In letzter Zeit haben sie jede Menge Medienpräsenz. Ihre Rolle, ihre Leistung im Dienste der nachfolgenden Generationen wird endlich gebührend gewürdigt. Jüngstes Beispiel: «Eine neue Generation Grosseltern auf dem Vormarsch». Und kürzlich gabs zum Thema auch den Dokumentarfilm «Zwischen Last und Liebe».
Dass Grosseltern zunehmend ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken, ist kein schweizerisches Phänomen. Eine interessant-amüsante Diskussion dazu lief vor ein paar Wochen auf dem Onlineportal der österreichischen Zeitung «Der Standard». Die Frage war: «Wie sehr dürfen Grosseltern, Tanten und Onkel die Kinder miterziehen?» An Meinungen gabs in den Kommentaren von «Ich habe meine Kinder absichtlich möglichst fern von den Grosseltern gehalten» bis «Was gibts Schöneres als bei Oma und Opa mehr zu dürfen als daheim?» so ungefähr alles. Und einer der quersten, der entsprechend viele Reaktionen auslöste, war der: «Die Pädagogikseminare, die ich als angehender Lehrer alle gehört habe, lassen sich alle leicht zusammenfassen: Alle an einem Strang ziehen, alle die selben Wertvorstellungen repräsentieren. Kein Verwöhnen durch Grosseltern, nur das dem Kind erlauben, was die Eltern erlauben (Sonst lernen die Kinder sogar die Generationen gegeneinander auszuspielen)».
«Alle an einem Strang ziehen»? Da muss man ja erst einmal wissen, an welchem Strang man ziehen soll. Denn so schwarz-weiss gestrickt ist unsere westliche Welt nicht mehr, als dass alle wüssten, was der richtige Strang ist. Die Welt ist heute multi: multikulti, multidimensional, multitasking, multipädagogisch - äusserts vielschichtig in jeder Beziehung.
Sich in dieser diversifizierten Welt zurecht zu finden, das ist es, was Kinder heute lernen müssen. Nur eine Sicht auf die Dinge reicht längst nicht mehr aus, auch wen Einäugigkeit derzeit wieder Aufwind hat. Darum find ich es nicht weiter schlimm, wenn nicht überall die gleichen Masstäbe herrschen. Lio muss schliesslich lernen, dass bei der Tagesmutter nicht alles erlaubt ist, was bei Opi durchgeht; dass Mami das und das anders will als Omi; dass bei den Grosseltern seines Vaters andere Sitten herrschen als bei den Grosseltern seiner Mutter. Und das ist erst der Anfang. Denn mit je mehr Welt Lio in Berührung kommt, desto mehr unterschiedliche Massstäbe muss er sich verinnerlichen.
Einen neuen Massstab lernt er grad kennen: Eben hat er seine Schulzeit mit dem Eintritt in die Waldspielgruppe begonnen. Ihm gefällts, sagt er. Aber da gelten andere Regeln als bei Opi - nehm ich jedenfalls an. Wenns die gleichen wären wie bei Opi, müsste ich mich direkt geschmeichelt fühlen.
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Blogger Martin Moser
Martin Moser (1959), Produktionschef Tageszeitungen der AZ Medien, ist seit 30 Jahren verheiratet und Vater von drei erwachsenen Kindern. Er hat zwei Enkel (Lionel, 2011, und Enyo, 2014) und legt auch mal einen Opi-Tag ein. Bloggt für «wir eltern» über Opi-Kinder-Enkel-Erlebnisse und -Beziehungen und kramt auch mal in seinen eigenen Erinnerungen.
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